Italienische Novellen, Band 3
und las so im Bett bei geöffnetem Fenster jene Vorladung, die also lautete: »Von seiten und auf Anordnung des ehrwürdigen Vikars des Erzbischofs von Florenz wird dir Hans Simon, Mützenmacher, befohlen, daß du innerhalb von drei Stunden, nachdem du gegenwärtige Vorladung gesehen, dich auf der Kanzlei des Bischofspalastes einzufinden hast bei Strafe der Exkommunikation und von hundert Goldgulden.« Als Unterschrift hatte Pilucca den Namen des Kanzlers gesetzt, den er wußte, und hatte ein halbverwischtes Siegel beigefügt, bei dem man die Prägung nicht erkennen konnte, wie wenn es in Eile gemacht worden wäre, wie es bisweilen vorkommt.
Hans Simon war voll Staunen und Sorgen und überlegte bei sich, was das wohl bedeuten könne. Inzwischen ließ er sich von der Magd seine Kleider bringen und zog sich an, entschlossen, am Morgen auf jeden Fall auszugehen, und sagte: »Sieh, ich werde wegen etwas aus dem Hause gehn! Was zum Teufel hab' ich mit dem Vikar zu tun? Ich weiß doch, daß ich nichts mit Priestern oder Mönchen oder Nonnen zu teilen habe. Ich kann das nicht verstehen!« Indem pochte Scheggia ans Tor, der auf Posten stand in der Sorge, jener könnte ausgehen, und man öffnete ihm. Er war noch kaum im Zimmer, als er fast weinend zu sagen begann: »Nun sind wir wahrhaftig schön zugrunde gerichtet! Da gibt es keinen Ausweg mehr! Oh, wir Unglücklichen! Oh, wir Elenden! Wer hätte das je gedacht ? Schließlich, wenn ich je da herauskomme, nie wieder lasse ich mich weder mit Zauberern noch mit Hexern ein! Verflucht seien die Nekromanten und die Zauberei!«
Mehrmals hatte ihn Hans Simon gebeten, er möchte ihm den Grund seines Kummers sagen, aber Scheggia fuhr in seinem Reden fort und antwortete ihm nicht. Nun, als er die Nekromanten nennen hörte, schrie er: »Scheggia, um Gottes willen, sag mir, was dir Übles begegnet ist und was dich jammern macht!«
»Eine Sache«, antwortete Scheggia sogleich, »die nicht schlimmer sein könnte für Euch als für mich.« »O weh! Was gibt es da Neues?« sagte Hans Simon und wollte ihm die Vorladung zeigen, als Scheggia sagte: »Seht Ihr hier? Das ist eine Zitierung zum Vikar!« »0 weh«, antwortete Hans Simon, »und hier ist eine andere!«
»Daraus entspringt nun«, fuhr Scheggia fort, »mein und Euer Ruin.«
»Und wieso?« fragte Hans Simon; »erzähl' mir schnell, wie sich die Sache verhält!«
Darauf begann Scheggia in sehr traurigem Ton zu sprechen: »Euer lieber Freund Monaco, der, wie Ihr wißt, von den Teufeln durch die Luft getragen wurde, hat sich nie darüber beruhigt, weil ihn die Sache über alle Maßen bedrückt. So hat er nach und nach vom Pilucca die Sache erfahren und wie Ihr und ich die Hauptursache sind, und daß alles nur gemacht wurde, damit Ihr eine Probe sähet. Darüber geriet Monaco in Zorn, und voller Wut ging er gestern abend zum Vikar, erzählte ihm die Sache, und Pilucca bestätigte und bezeugte die Wahrheit zu seinen Gunsten. Darum wollte der Vikar, da ihm die Sache übel erschien, die Vorladungen sofort ausfertigen lassen; aber da es schon spät war und der Kanzler nicht da war, verschob er es auf heute morgen. So habe ich es eben von einem Priester gehört, der beim Vikar wohnt und sehr mit mir befreundet ist. Da seht Ihr, wo wir nun sind!« »Scheint dir das nun eine so große Angelegenheit«, antwortete Hans Simon, »daß sie dir so Kummer macht und du so Furcht hast? Was haben wir denn schon gemacht?«
»Was wir gemacht haben?« versetzte Scheggia, »Ihr sollt es hören! Wir haben gegen den Glauben gehandelt, der erste Punkt, an Zauberei glauben und mit Hilfe der Teufel einer edlen und gesitteten Frau Schimpf und Schande antun; sodann haben wir den Monaco in Lebensgefahr gebracht, da er einen solchen Weg durch die Luft gekommen ist; ein andrer Punkt, daß er vor Furcht besessen würde oder der Teufel ihm in den Leib fahre: alles Dinge, die den Kopf kosten. Ihr könnt sicher sein, wenn wir vor dem Vikar erscheinen, werden wir sofort ins Gefängnis geworfen. Wenn wir die Sache bekennen, laufen wir Gefahr verbrannt zu werden; aber da der Beweis erbracht ist, können wir nicht leugnen, und das wenigste, was uns begegnen kann, ist am Pranger zu stehen oder mit einem Urteil um den Hals auf einem Esel zu reiten; und vielleicht wird unsere ganze Habe eingezogen, und wir werden lebenslänglich in ein Turmverließ gesteckt oder noch schlimmer! 0 weh! Euch scheint das wenig?« Und bei diesen letzten Worten vergoß er künstlich so viele
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