Ja, Liebling
er sich dann als ausgezeichneter Schriftsteller entpuppte und ein Buch veröffentlichte, das von der Kritik gelobt wurde als — welchen Ausdruck benutzten Cecily und ihre Freunde doch immer dafür? Ach richtig: als »ungewöhnlich tiefschürfend«. Das war es. Einen solchen Menschen konnte sie gerade gebrauchen, er paßte gut in das Haus Nummer zwölf.
Sie griff nach dem Kugelschreiber, der Hervey immer so zuwider war — >Aber Liebling, man benutzt doch einen Füllfederhalter! Kleckse? Natürlich gibt es keine Kleckse, wenn man richtig damit umgehen kann.< Margaret war jedoch bei ihrem Kugelschreiber geblieben, und jetzt benutzte selbst Elinor einen — natürlich einen sehr teuren. Margaret pflegte ihre Kugelschreiber für anderthalb Shilling im Supermarkt zu kaufen.
Tief in Gedanken saß sie da. Dann schüttelte sie seufzend den Kopf. Über David würde sie doch nicht schreiben. Sie hätte sich über seine Schüchternheit lustig machen müssen, seine Neigung, diese kleine traurige Geschichte seiner Enttäuschungen hervorzusprudeln, über sein Unvermögen, Freunde zu gewinnen.
Und das wäre unfair, auch wenn außer ihr niemand diese Zeilen zu lesen bekam. Er hatte sich ihr anvertraut, da konnte sie ihn nicht hintergehen. Sie legte den Kugelschreiber hin und fragte sich, aus welchem Grund sie zu diesem Opfer bereit war. Sie schrieb doch sonst über jeden, der ihr über den Weg lief — warum nicht auch über diesen ganz gewöhnlichen jungen Mann? Die Antwort war einfach: Er war der erste junge Mann seit Jahren, der sich Mühe gab, mit ihr zu reden und der Wert auf ihre Freundschaft legte. Wirklich der erste. Und da er empfindsam und vertrauensvoll war, konnte sie einfach nicht über ihn schreiben. Sie wollte nur ganz einfach mit ihm befreundet sein.
5
Einige Tage später lernte Margaret Lance Harrison kennen. Mrs. Thornton hatte sie tags zuvor mit einer dicken Scheibe Kürbis und einigen Kamelien besucht und gefragt: »Wie sieht es mit Brennholz aus, haben Sie noch genug? Wenn der Winter anfängt, müssen diese großen Zimmer ordentlich geheizt werden. Brauchen Sie nicht jemanden zum Holzhacken?«
»Das wäre sehr schön, außerdem muß der Garten in Ordnung gebracht werden.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, schicke ich Ihnen Lance herüber. Das ist mein Neffe. Meine eigenen Jungen haben mit den Zäunen, mit Füttern und so weiter zu viel zu tun. Lance wohnt für zwei Monate bei uns, bevor er nach Australien geht. Er wird sich gern ein paar Shilling dazu verdienen.«
»Ich habe ihn noch nicht kennengelernt, aber Ihre beiden Söhne habe ich schon gesehen.«
»Lance ist ganz anders — glücklicherweise. Aber wenn er will, kann er schon arbeiten. Man muß ihn ein bißchen zurechtstutzen, unseren Lance. War ein schwieriger Junge, aber wir hoffen, daß es in Australien mit ihm besser wird.«
Margaret fragte sich, warum eine Luftveränderung auch eine Veränderung der Einstellung herbeiführen sollte, und sie war sehr gespannt, den jungen Mann kennenzulernen. Seine Tante hatte noch gesagt: »Er ist beinahe fünfundzwanzig. Höchste Zeit, daß er etwas Anständiges lernt. So schlimm ist es natürlich auch wieder nicht mit ihm — bis jetzt gab es Gott sei Dank noch keine Mädchengeschichten, aber man hat schon sein Kreuz mit ihm.«
Lance kam pünktlich. Wahrscheinlich hatte seine Tante ihn losgeschickt. Er klopfte um acht Uhr an die Hintertür; Margarets erster Gedanke war: Der sieht viel besser aus als ich dachte, ein richtiger Adonis.
Er stand lässig da und lächelte sie an, ein großer, dunkelhaariger junger Mann mit gleichmäßigen Gesichtszügen und einem anziehenden Ausdruck freundlicher Offenheit. Sein hübscher Mund wirkte ein wenig zu weich, aber er hatte fröhliche Augen und strahlte Charme aus.
»Guten Morgen, Mrs. Neville. Meine Tante sagte, Sie hätten ein bißchen für mich zu tun. Soll ich zuerst das Holz hacken?«
Um halb elf sah Margaret überrascht und erfreut, was für einen riesigen Stapel Holz er gehackt und säuberlich aufgeschichtet hatte. »Kommen Sie auf eine Tasse Tee herein«, rief sie. Als er dann in der Küche saß, überlegte sie amüsiert, was Elinor wohl dazu sagen würde, daß sie sich zu einem solchen Umgang herabließ. Aber eigentlich war ja Lance gar kein richtiger Arbeiter, und seine Manieren waren besser als die von Peter. Trotzdem war Margaret froh, daß Elinor nicht hier war.
Im Gegensatz zu dem schüchternen, einfachen David Shaw war Lance ein
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