Jade-Augen
Wandbehang verdeckten Durchgang heran.
»Gezwungen, in der Stadt zu bleiben, werden sie von ihren Kameraden im Kantonnement abgeschnitten sein«, erklärte Akbar Khan. »Wir werden das Selbstvertrauen dieser fremden Hunde ins Wanken bringen, indem wir ihnen unsere Macht zeigen, ihre Beweglichkeit zu beeinträchtigen.«
»Aber vielleicht sollten wir mehr tun als nur das«, sagte Badar Khan langsam.
»An was denkst du dabei?«
»Einen Aufmarsch unserer Truppen.«
»Einen direkten Angriff?«
»Die Menschen sind unruhig«, gab der andere zu bedenken.
Ayesha zitterte. Sie wußte, daß der Aufruhr unter den Bürgern von Kabul von Akbar Khan und den übrigen Sirdars sorgfältig geschürt worden war. Wenn sie die Wut der Menge auf den Feind losließen, dann würde das daraus folgende Gemetzel nur schwer einzuschätzen sein.
»Vielleicht sollten wir es dem Volk überlassen, seine Entscheidungen selbst zu treffen«, sagte Akbar Khan obenhin. »Geh schon in die Shura, mein Freund. Ich werde gleich nachkommen.«
Ayesha trat schnell, gerade als Akbar Khan in den Raum kam, von dem verhängten Durchgang zurück. Er blickte sie scharf an. »Hast du gelauscht?«
Sie errötete. »Ich konnte es nicht verhindern, das mit anzuhören.«
Er strich sich nachdenklich über den Bart. »Ich glaube, manchmal bringst du dich absichtlich in eine Lage, in der du etwas mit anhören mußt. «
»Warum unterstützt du diesen Aufruhr?« stieß sie hervor und dachte dabei an den Mann draußen unter dem Fenster. »Welchen Nutzen hast du davon?«
»Wer sagt dir, daß ich das unterstütze?« entgegnete er mit einem gleichgültigen Schulterzucken. »Was das Volk tut, ist seine Angelegenheit.«
»Du weißt, daß das nicht wahr ist!« Erregt machte sie einen Schritt auf ihn zu. »Du weißt, du kannst den Aufstand verhindern, wenn du willst. Macht es dir Spaß, mit den Menschen auf diese Weise zu spielen? Zuzusehen, wie andere das Töten für dich besorgen?«
»Du übernimmst dich, Ayesha«, warnte er mild. »Die Feringhees müssen die Natur der Afghanen kennenlernen und die Art der Afghanen, sich für zugefügte Beleidigungen zu rächen. Sie müssen lernen, uns zu fürchten.«
So hatte man sie es gelehrt; sie fürchtete sie und fürchtete Akbar Khan. Er hatte sie niemals unfreundlich behandelt, ihr niemals gedroht, höchstens einmal gelegentliche kindliche Verstöße bestraft, aber das Wissen um seine absolute Macht störte sie genug. Sie berührte ihre Stirn mit den Händen in einer anmutigen Geste der Unterwerfung.
»Ich komme mit der Bitte an dich, das Haus nicht zu verlassen«, sagte er jetzt in seiner normalen ruhigen Stimme, als ob der vorausgegangene Wortwechsel niemals stattgefunden hätte. »Bis ich sicher sein kann, daß es keine Unruhen gibt, möchte ich nicht, daß du auf die Straßen gehst.«
»Wie du wünschst«, ihre Miene bewegte sich nicht.
Er ging ohne weitere Worte, und sie kehrte ans Fenster zurück. Der Beobachter war verschwunden. Bei Anbruch der Nacht fegten die Winterstürme herein in die verlassenen Straßen und ließen eine Tür mit verlorenem, dumpfem Klang zuschlagen.
7. KAPITEL
»Verdammte, unverschämte Wilde!« wütete Burnes später an diesem Abend. »Was, zum Teufel, bilden die sich ein? Verweigern uns den Verkehr zwischen Stadt und Kantonnement!« Er starrte den Sepoy-Boten an, der soeben in den Amtssitz zurückgekehrt war, ohne die Botschaft von Burnes an Macnaghten überbracht zu haben, nachdem er von einer feindseligen Menge am Verlassen der Stadt gehindert worden war.
Der Sepoy verkniff sich eine Antwort, ganz richtig in der Annahme, daß die wütenden Fragen eigentlich nicht ihm galten. Die Beschimpfungen prasselten jedoch weiter auf sein Haupt nieder, bis William Broadfoot, Burnes’ Sekretär, hüstelte. »Nicht wirklich die Schuld dieses Mannes, Sir Alexander. Er konnte nichts dagegen tun, zurückgeschickt zu werden.«
Sir Alexander schüttelte angewidert den Kopf und machte dem Sepoy ein Zeichen, woraufhin der sich erleichtert zurückzog. »Ich glaube nicht, daß es viel zu bedeuten hat«, sagte er, jetzt sehr viel beherrschter. »Nur eine Unruhe. Bis zum Morgen wird es vorbei sein. Und wenn nicht, dann wird Elphinstone eine Brigade schicken, um ihnen klarzumachen, wer hier die Befehle erteilt.«
»Wie aber soll er das tun, Alexander, wenn wir ihm keinen Boten schicken können, der ihm die Lage schildert?« Burnes jüngerer Bruder gab dies zu bedenken und wandte sich von dem Fenster, aus dem
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