Jade-Augen
ereignet hat. Sollte Miss Spencer etwas brauchen, dann sieh zu, daß sie es bekommt … und verschließ die Eingangstür hinter mir.«
Harley, der den Gesichtsausdruck eines Märtyrers aufgesetzt hatte, begleitete ihn bis zur Eingangstür und versperrte sie ernsthaft, nachdem der Leutnant hinausgegangen war. Er steckte den Schlüssel in seine Jackentasche und kehrte in die Küche zurück.
Eine Atmosphäre ungeordneter Düsternis hing über dem Bungalow, in dem das Hauptquartier untergebracht war, als Kit vor der Wache salutierte und das Adjutantenbüro betrat. Leutnant Watson blickte irritiert von dem Berg Depeschen auf, die vor ihm auf dem Tisch lagen. »Oh, Ralston, dachte, du hättest bis zum Abend keinen Dienst.«
»Stimmt, aber ich konnte nicht stillsitzen und Däumchen drehen. Wie ist der neueste Stand?«
»Allgemeine Kopflosigkeit«, antwortete Watson verdrießlich und wies auf die Depeschen. »Der General ist in bezug auf Shelton unentschlossen, seit du fortgegangen bist, und Sir William hat Shelton jetzt zur Balla Hissar befohlen mit der Weisung, bei der Verständigung mit dem Shah und dem weiteren Vorgehen seiner eigenen Urteilskraft zu vertrauen.«
Kit zog eine Grimasse. »Was ist mit Campbell?«
Watson zuckte die Schultern. »Nach letzten Meldungen versucht er sich mitten durch die Stadt zum Amtssitz durchzuschlagen und trifft in jeder Straße auf hartnäckigen Widerstand.«
»Er versucht seine Brigade kämpfend durch die Gassen zu treiben?« rief Kit ungläubig. »Warum, zum Teufel, umgeht er denn die Innenstadt nicht? Wenigstens hätte er da offenes Gelände zum Manövrieren.«
»Frag mich nicht«, sagte der Leutnant. »Ist nicht meine Aufgabe, Fragen zu stellen.« Ein mürrischer Ruf erscholl aus dem angrenzenden Raum, und er seufzte. »Das ist unser Befehlshaber.«
Kit ging Bob Markham suchen und fand ihn im Kartenraum über den Kartentisch gebeugt. »Oh, hallo, Kit. Komm her, sieh dir das an. Man hat mich beauftragt, Major Griffith aus Kubbari-Jubbar zurückzuholen. Glaubst du, daß er diesen Landstrich durchqueren kann?«
Kit blickte prüfend auf die Karte und befand: »Griffith ist ein guter Mann.«
»Gut genug, um diese Pässe zu überqueren? Die Afghanen haben sie unter Kontrolle. Er wird um jeden Schritt Wegs kämpfen müssen.«
»Was ist mit Sale?«
»Hat sich nach Jalalabad zurückgezogen; sagt, er kann nicht nach Kabul durchkommen. Elphinstone hat einen Läufer zu Nott nach Kandahar geschickt mit der Bitte, eine Brigade nach Kabul zu entsenden.«
»Ich gebe nicht allzuviel auf sein Durchkommen«, meinte Kit finster. »Großer Gott, Bob, was für ein Schlamassel, in dem wir da stecken!«
»Und es wird von Minute zu Minute schlimmer«, stimmte sein Freund zu.
»Weiß irgend jemand, was mit Colin Mackenzie ist? Er kommandiert das andere Intendanturfort, in dem sich die Verpflegung für Shah Soojah befindet.«
Bob atmete hörbar ein. »Verdammt, ich glaube nicht, daß irgendwer einen Gedanken an ihn verschwendet hat. Er ist dort draußen am Stadtrand vollkommen auf sich allein gestellt.«
»Soweit ich weiß, hat er eine große Zahl Frauen und Kinder bei sich im Fort.«
Die beiden Männer blickten sich an, und sie stellten sich vor, wie Mackenzie und seine kleine Garnison voller hilfloser Bewohner von einer Horde Ghilzai und Ghazi angegriffen wird.
»Ich muß mit Elphinstone und Macnaghten sprechen. Mal sehen, ob sie eine Abteilung von hier zur Unterstützung schicken.« Bob machte sich eilig davon, und Kit beugte sich nun seinerseits über die Karten.
Kabul war ein so kleiner isolierter Ort; Jalalabad war nah und doch unerreichbar, weil die von den Ghilzai gehaltenen Pässe ein Durchkommen vereitelten; die weite Strecke nach Kandahar und Quetta würde nur von einer Streitmacht in bestem Zustand zu bewältigen sein. Frauen, Kinder, Zivilpersonen und all das Gepäck, das zum Massenexodus einer Armee gehörte, würden es niemals schaffen – nicht im Winter und nicht bei der ununterbrochenen Bedrohung durch die Bergkrieger mit ihren langen Musketen.
Würde Akbar Khan ihnen einen ungestörten Abzug ermöglichen, wenn man Elphinstone und Macnaghten zum Verhandeln überreden konnte? Annabel glaubte nicht daran. Und daraus schließend, was Kit vom Sohn des Dost kennengelernt hatte, konnte auch er nicht daran glauben.
»Allmächtiger, Kit! Diese stümperhaften Böcke wollen nicht einen Finger krümmen, um Colin zu helfen.« Bob kam ins Zimmer gestürzt, hochrot vor Zorn und Feuer
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