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Jäger der Macht: Roman (German Edition)

Jäger der Macht: Roman (German Edition)

Titel: Jäger der Macht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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beiseite, hielt die Hände aber unter dem Tischtuch und verbarg sie so vor allen Blicken.
    Marasi hatte sich umgedreht und sah zu, wie sich die Banditen durch den Raum bewegten. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und die rosenfarbenen Lippen geöffnet. » O je.« Sie drehte sich herum und kramte mit zitternden Fingern ihren Notizblock sowie einen Stift hervor.
    » Was tun Sie da?«, fragte Waxillium.
    » Ich schreibe meine Beobachtungen auf«, erklärte sie. Ihre Hand bebte. » Wussten Sie, dass – statistisch gesehen – nur jeder zweite Zeuge einen Verbrecher, der ihn angegriffen hat, genau beschreiben kann? Schlimmer noch, sieben von zehn zeigen bei einer Gegenüberstellung auf den falschen Mann, wenn er dem Täter zwar nur ähnlich sieht, aber noch bedrohlicher wirkt. Im Augenblick der Gefahr neigen sie dazu, die Größe des Angreifers zu überschätzen, und sie werden ihn meistens wie den Schurken aus einem Bericht beschreiben, den sie vor kurzem gehört haben. Wenn man Augenzeuge eines Verbrechens wird, ist es unerlässlich, auf alle Einzelheiten zu achten. Ich rede dummes Zeug, nicht wahr?«
    Sie wirkte entsetzt, notierte sich aber tatsächlich die Beschreibung eines jeden Verbrechers.
    » So etwas haben wir nie tun müssen«, meinte Wayne, während er die Verbrecher beobachtete, die gerade mit ihren Waffen auf die Gäste zielten und sie dadurch zum Verstummen brachten. » Wenn wir ein Verbrechen beobachtet haben, waren die Kerle, die es verübt hatten, in den meisten Fällen danach tot.« Er warf Waxillium einen finsteren Blick zu.
    Einige der Diebe zwangen nun die Köche und Kellner zu den Gästen hinaus. » Bitte setzen Sie sich!«, rief einer der Räuber und schulterte sein Gewehr. » Bewahren Sie Ruhe! Und seien Sie still!« Er sprach mit einem leichten Rauland-Akzent und war zwar stämmig, aber nicht groß. Seine Unterarme wirkten muskulös, und seine Haut war fleckig und grau, fast so, als bestünde sein Gesicht aus Granit.
    Kolossblut, dachte Waxillium. Gefährlich.
    Die meisten Leute verstummten; nur einige Überforderte jammerten. Die Brautmutter schien ohnmächtig geworden zu sein; das Hochzeitspaar war in Deckung gegangen; der Bräutigam sah finster drein und hatte den Arm schützend um seine Frau gelegt, die ihm erst jüngst angetraut worden war.
    Ein zweiter Verschwinder trat vor. Im Gegensatz zu den anderen trug er eine Maske. Ein gestricktes Tuch bedeckte sein Gesicht, ein Rauland-Hut saß auf seinem Kopf. » Schon besser«, sagte er mit fester, beherrschter Stimme. Etwas an dieser Stimme erregte Waxilliums Aufmerksamkeit.
    » Wenn Sie vernünftig sind, werden wir in ein paar Minuten fertig sein«, sagte der maskierte Verschwinder beruhigend. Er schritt zwischen die Tische, während ein Dutzend Banditen mit geöffneten Säcken den Raum durchkämmten. » Wir wollen nur Ihren Schmuck. Niemandem wird etwas zuleide getan. Es wäre doch eine Schande, ein so schönes Fest mit Blutvergießen zu verderben. Ihr Schmuck ist nicht so viel wert wie Ihr Leben.«
    Waxillium schaute zu Großherrn Harms hinüber, der noch an der Bar saß. Er betupfte sich das Gesicht mit einem Taschentuch. Die Männer mit den Säcken gingen rasch durch den Saal, blieben bei jedem Tisch stehen und sammelten Halsketten, Ringe, Ohrringe, Geldbörsen und Uhren ein. Manchmal wurden sie bereitwillig hineingeworfen, manchmal geschah es auch sehr widerwillig.
    » Wax …«, sagte Wayne mit angespannter Stimme.
    Marasi schrieb weiter; sie hielt Papier und Stift außer Sichtweite auf dem Schoß.
    » Wir müssen das hier lebend hinter uns bringen«, sagte Waxillium leise, » ohne dass jemand verletzt wird. Dann können wir der Polizei unsere Berichte geben.«
    » Aber …«
    » Ich will nicht der Grund dafür sein, dass jemand stirbt, Wayne«, fuhr ihn Waxillium wesentlich lauter an, als er es beabsichtigt hatte.
    Blut auf den Ziegeln. Ein Körper in einem Ledermantel, der zu Boden sackte. Ein grinsendes Gesicht, sterbend, mit einer Kugel in der Stirn. Im Tod hatte er gewonnen.
    Nicht noch einmal. Nie wieder.
    Waxillium schloss die Augen.
    Nie wieder.
    » Wie können Sie es wagen!«, rief plötzlich eine Stimme. Waxillium warf einen Blick zur Seite. Ein Mann, der an einem Tisch in der Nähe gesessen hatte, war aufgestanden und schüttelte die Hand der üppigen Frau neben sich ab. Er trug einen dichten, ergrauenden Bart und einen Anzug von nicht mehr ganz modernem Schnitt; die Rockschöße reichten bis zu seinen Fußknöcheln hinunter.

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