Jägerin der Nacht 03 - Dawnbreaker
erteilen. „Sie sagte, dass sie gespürt hat, wie jemand hier draußen mächtige Erdmagie einsetzt", antwortete Danaus, bevor Cynnia zu Wort kam. „Ich fand, es wäre eine gute Idee, das mal zu überprüfen." „Shelly, lass mich runter." „Darf ich hierbleiben?"
Statt einer Antwort schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf die Ranken, die sich um meine Arme und Beine schlangen, und auf die, die sich noch immer in meine Brust bohrte. Meine Lage gefiel mir ganz und gar nicht. Ich war mir zwar nicht sicher, wozu Cynnia imstande war, aber immerhin bestand die Möglichkeit, dass sie mich mit einem bloßen Gedanken töten konnte. Augenblicklich gingen die Ranken um mich in Flammen auf, aber weder meine Kleidung noch meine Haut wurde dabei auch nur angesengt.
Ich klopfte mir die letzten Ascheflocken ab und warf der Erdhexe einen Blick zu, die händeringend vor mir stand. Sie verfügte über die Macht, die ich von jemandem erwartete, der sich gegen die Naturi behaupten wollte, aber offenbar ging ihr der Killerinstinkt von Danaus oder den Nachtwandlern in meiner Truppe ab. Es hatte einmal eine Zeit in meinem Leben gegeben, in der ich das durchaus nicht für eine Schwäche gehalten hätte, aber so wie die Dinge jetzt lagen, war es einfach nur tödlich. Wenn sie nicht bereit war, ein Wesen zu töten, das kein anderes Ziel kannte, als sie umzubringen, würde sie das ohne jeden Zweifel das Leben kosten, und am Ende wäre ich auch noch schuld daran.
Aber wenn ihr klar war, was auf sie zukam, und sie dennoch bleiben wollte, dann konnte ich nur hoffen, dass sie lernte, auf sich aufzupassen, bevor es zu spät war. Ich konnte sie nur bis zu einem gewissen Grad beschützen.
„Mira?", fragte Shelly leise noch einmal. „Du wirst die anderen schützen, wenn ich es dir befehle, und du wirst töten, wenn ich es dir befehle. Wenn du noch einmal einen von meinen Leuten in Gefahr bringst, dann leg ich dich persönlich um", drohte ich. Mehr Zustimmung konnte sie von mir nicht erwarten.
Auf dem Rückweg ins Haus blieb ich am Rand der Veranda stehen und musterte die Naturi. „Ich habe viele Geschichten über dich gehört", brach sie das Schweigen, als ihr klar wurde, dass ich sie erwartungsvoll ansah und darauf wartete zu hören, welche Gedanken ihr das Hirn zermarterten. „Ich dachte, du wärest bloß eine Legende, eine Gruselgeschichte, die sich meine Schwester Nyx ausgedacht hat, um mir Angst einzujagen. Ich wusste ja nicht, dass es dich wirklich gibt." „Nyx? Wie viele Schwestern hast du denn noch?", erkundigte ich mich verwirrt. Ich war nicht gerade erfreut über die Neuigkeit, dass ich als Gutenachtgeschichte für die Naturi herhalten musste.
„Zwei. Aurora und Nyx." „Und Nerian war dein Bruder", sagte ich mit so gedämpfter Stimme, dass sie die Distanz zwischen uns kriechend zurückzulegen schien. „Ja", sagte sie, und ein finsterer Blick stahl sich auf ihr jugendliches Gesicht. „Nerian war derjenige, der dich gefoltert hat. Er ist der Grund dafür, dass du uns alle so unglaublich hasst." Unwillkürlich zuckte mein Blick zu Danaus, aber Cynnia sprach weiter, bevor ich ihm den Vorwurf machen konnte, der mir auf der Zunge lag. „Niemand hat es mir verraten. Ich kann es hören, jedes Mal, wenn du seinen Namen sagst. Ich kenne nur eine andere Person, die so hasserfüllt spricht."
„Wen?" „Aurora, wenn sie von dir spricht." Als ich die junge Naturi anlächelte, mussten meine Augen vor mühsam beherrschter Freude wohl förmlich leuchten. Die Königin der Naturi wusste nicht nur, wer ich war, sie hasste mich auch noch. Das war ein angenehmer und erhebender Gedanke. „Was soll ich bloß mit dir anfangen?", fragte ich laut, obwohl ich eigentlich mit mir selbst sprach.
„Lass mich frei", schlug Cynnia vor und hob die gefesselten Handgelenke. Beim Anblick der eisernen Ketten fiel mir wieder ein, dass auch ihre eigenen Leute sie gefangen gehalten hatten, obwohl sie eine Naturi war. Zwar bedeutete das nicht automatisch, dass in dieser Situation die Feindin meines Feindes schon meine Freundin war, aber immerhin hieß es vielleicht, dass sie bereit war, mir ein paar interessante Informationen zu liefern, um ihr eigenes Leben zu retten.
„Warum haben deine eigenen Leute dir Handschellen angelegt und dich mit Bannsprüchen belegt?", fragte ich barsch. „Sie haben mich als Verräterin beschimpft. Mich beschuldigt, dass ich unser Volk an die Menschen und Nachtwandler verraten wollte", gab sie zögernd zu. Sie senkte die
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