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Jägerin des Herzens

Jägerin des Herzens

Titel: Jägerin des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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trinken. Wenn sie betrunken wäre nein, so würde sie ihren Ruf am schnellsten ruinieren. Sie hatte zu oft in London erlebt wie Menschen sich durch Alkohol zerstörten. Vielleicht sollte sie einmal einen Arzt aufsuchen und um ein Schlafmittel bitten … aber was wäre, wenn er sie für verrückt hielte? Gott allein wusste, was dann mit ihr geschah.
    Lily fuhr sich mit den Fingern durch ihre nassen Locken und schloss die Augen.
    »Vielleicht bin ich ja wirklich wahnsinnig«, murmelte sie und ballte die Fäuste. Es würde jede Frau in den Wahnsinn treiben, wenn man ihr das eigene Kind nahm.
    Nachdem sie sich die Haare gewaschen und am ganzen Körper abgeschrubbt hatte, stieg Lily aus der Badewanne und trocknete sich ab. Sie zog ein weißes, spitzengesäumtes Hemdchen an, bestickte Baumwollstrümpfe und ein Baumwollkleid, das mit winzigen rosafarbenen Blumen bedruckt war. In dem Kleid wirkte sie fast so jung wie Penelope. Dann setzte Lily sich vor den Kamin, fuhr sich mit den Fingern durch die feuchten Locken und überlegte sich, wie ihr Plan für den heutigen Tag aussah. »Zuerst«, sagte sie fingerschnipsend, »muss ich Wolverton davon überzeugen, dass Zachary mir den Hof macht nicht Penny. Das wird seinen Verdacht zerstreuen.«
    »Miss?«, erklang eine verwirrte Stimme. Die Zofe stand in der Tür zum Ankleidezimmer. »Sagtet Ihr …«
    »Nein, nein, ich habe nur mit mir selbst geredet.«
    »Ich wollte die gebrauchten Handtücher holen.«
    »Ihr könnt auch mein Nachthemd zum Waschen geben – oh, und sagt mir, wo Lord Raiford ist. Ich möchte gerne mit ihm sprechen.«
    »Er ist nach London gefahren, Miss.«
    »London?« Lily runzelte die Stirn. »Warum denn? Für wie lange?«
    »Er hat Silvern gesagt er sei heute Abend wieder zurück.«
    »Nun, das ist ja eine kurze Reise. Was kann er denn in einer so kurzen Zeit erledigen?«
    »Niemand weiß, warum er gefahren ist.«
    Lily hatte das Gefühl, dass die Zofe ihr nicht alles sagte, was sie wusste. Aber Wolvertons Dienstboten waren verschwiegen, und sie waren ihrem Herrn treu ergeben. Lily bestand nicht weiter auf dem Thema und zuckte gleichmütig die Achseln.
    Westfield erhob sich auf einem der drei Hügel im Nordwesten Londons. Bei gutem Wetter hatte man eine wunderschöne Aussicht. Westfield war eines der ehrwürdigsten Internate und hatte Politiker, Künstler, Poeten und Militärs hervorgebracht. In seiner Jugend war auch Alex hier Schüler gewesen. Obwohl er sich noch lebhaft an die strenge Disziplin der Lehrer und die Tyrannei der älteren Jungen erinnerte, waren ihm auch die heiteren Tage voller mutwilliger Streiche und die enge Freundschaft im Gedächtnis geblieben. Er hatte gehofft, dass es Henry auf der Schule genauso gut gefallen würde, aber offensichtlich war dies nicht der Fall.
    Alex wurde von einem trotzig blickenden Jungen in das Büro des Direktors geführt. Dr. Thornwait der Direktor, erhob sich hinter seinem Schreibtisch und begrüßte ihn ohne ein Lächeln. Thornwait war ein schlanker Mann mit strähnigen weißen Haaren, einem schmalen Gesicht und buschigen dunklen Augenbrauen. Seine Stimme klang dünn und missbilligend. »Lord Raiford, ich möchte meiner Erleichterung Ausdruck verleihen, dass Ihr gekommen seid, um unseren Missetäter abzuholen. Er ist ein junger Mann von gefährlich unbeständigem Temperament vollkommen ungeeignet für Wesfield.«
    Während dieser kleinen Rede ertönte die Stimme seines Bruders hinter ihm. »Alex!« Henry, der auf einer Holzbank gesessen hatte, eilte mit wenigen Schritten auf ihn zu, hielt dann aber inne und versuchte, reumütig dreinzublicken.
    Alex konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Er packte ihn am Kragen und zog ihn zu sich heran. Fragend musterte er ihn. »Warum sagt er, du seist gefährlich, Junge?«
    »Ein Ulk«, gestand Henry.
    Alex lächelte wehmütig. Henry hatte Sinn für Humor, aber er war ein guter Junge, einer, auf den jedermann stolz sein konnte. Obwohl er für einen Zwölfjährigen klein war, war Henry stark und sehnig. Er war hervorra end in Sport und Mathematik und hegte eine geheime Vorliebe für Gedichte. Für gewöhnlich tanzte ein ansteckendes Lächeln in seinen blauen Augen, und seine weißblonden Haare mussten häufig gekämmt werden, da sie dazu neigten, durcheinander zu geraten. Um seinen Mangel an Körpergröße wettzumachen, war Henry besonders wagemutig und tonangebend, der Anführer seiner Gruppe von. Freunden. Wenn er etwas falsch gemacht hatte, entschuldigte er sich immer

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