Jagd auf Roter Oktober
seine Hand, ebenso die ersten Deltas und Typhoons. Von einem außergewöhnlichen Missgeschick auf einem Alfa abgesehen, war seine Karriere eine ununterbrochene Erfolgsgeschichte.
Und im Lauf der Jahre wurde er zum Mentor vieler junger Offiziere. Oftmals fragte er sich, was Sascha wohl denken würde, wenn er Dutzenden eifriger Männer die schwierige Kunst der U-Boot-Führung beibrachte. Viele hatten inzwischen ihre eigenen Boote, mehr noch hatten es nicht geschafft. Ramius war ein Kommandant, der gut für jene sorgte, die ihn zufrieden stellten – und sich auch um jene kümmerte, denen das nicht gelang. Ein weiterer Grund, aus dem er es nicht zum Admiral bringen konnte, war seine Weigerung, Offiziere zu befördern, die zwar einflussreiche Väter, aber nur ungenügende Leistungen aufzuweisen hatten. Diese Art von Integrität gewann ihm das Vertrauen des Flottenkommandos. Wenn eine wirklich harte Aufgabe anstand, wurde Ramius gewöhnlich als Erster in Erwägung gezogen.
Im Lauf der Jahre hatte er um sich auch eine Anzahl junger Offiziere versammelt, die von ihm und Natalia praktisch adoptiert worden waren, einen Ersatz für die Familie bildeten, die dem kinderlosen Paar verwehrt blieb. Ramius nahm Männer unter seine Fittiche, die ihm selbst sehr ähnlich waren, lange unterdrückte Zweifel an der Führung des Landes hegten. Er war ein Mann, mit dem man reden konnte, er hatte sich bewährt.
Und dann starb seine Frau. Ramius war damals im Hafen gewesen, nicht ungewöhnlich für den Kommandanten eines strategischen U-Boots. Er besaß seine eigene Datscha, einen privaten Lada, den ihm zustehenden Dienstwagen mit Chauffeur und andere Annehmlichkeiten. Als Mitglied der Parteielite war es selbstverständlich gewesen, Natalia, die über Leibschmerzen klagte, in eine Klinik zu bringen, die nur Privilegierte aufnahm. Zuletzt hatte er seine Frau gesehen, wie sie ihm zulächelte und dann zum Operationssaal geschoben wurde.
Der Chirurg vom Dienst traf zu spät und angetrunken im Krankenhaus ein und genehmigte sich zur Ausnüchterung reinen Sauerstoff, ehe er an die Entfernung eines entzündeten Blinddarms ging. Der geschwollene Appendix barst, als er Gewebe beiseite zog, um an ihn heranzukommen. Es entwickelte sich eine Bauchfellentzündung, noch kompliziert durch eine Darmperforation, die der Chirurg bei dem ungeschickten Versuch, den Schaden hastig zu reparieren, verursacht hatte.
Natalia wurde auf Antibiotika gesetzt, doch Medizin war gerade knapp; die ausländischen – meist französischen – Arzneimittel, die in den Kliniken für Privilegierte benutzt werden, waren ausgegangen. Statt ihrer verordnete man sowjetische, »Plan«-Pharmazeutika aus einer Partie, die weder inspiziert noch getestet worden war. Die Kanülen hatten kein Antibiotikum, sondern destilliertes Wasser enthalten, erfuhr Marko tags darauf. Natalia fiel in ein Koma, dem der Tod folgte, ehe die Serie von Kunstfehlern korrigiert werden konnte.
Zur Bestattung erschienen die Offiziere seines Bootes und hundert andere Marineleute, mit denen er im Lauf der Jahre Freundschaft geschlossen hatte, dazu Natalias Familie und Vertreter des örtlichen Zentralkomitees der Partei.
Marko Ramius sah den Sarg zu den Klängen eines Requiems in die Verbrennungskammer rollen und wünschte sich, für Natalias Seele beten zu können, hoffte, dass Großmutter Hilda Recht gehabt hatte, dass es wirklich jenseits der Stahltür und des Flammenmeers noch etwas gab. Erst dann traf ihn die ganze Wucht des Ereignisses: Der Staat hatte ihm nicht nur seine Frau genommen, sondern ihn auch aller Möglichkeit beraubt, seinen Gram im Gebet zu lindern; ließ ihn bar jeder Hoffnung – oder auch nur Illusion –, sie jemals wiederzusehen. Seit jenem Ostseesommer war die liebe, gütige Natalia sein einziges Glück gewesen. Und das hatte er nun für immer verloren.
Natalia Bogdanowa Ramius war unter den Händen eines Chirurgen gestorben, der während der Dienstbereitschaft getrunken hatte – darauf steht bei der sowjetischen Marine Kriegsgericht – aber Marko konnte ihn nicht seiner Strafe zuführen. Auch der Chirurg war Sohn eines Parteihäuptlings. Korrekte Medikation hätte sie retten können, doch es hatten nicht genug ausländische Mittel zur Verfügung gestanden, und russische Arznei war unzuverlässig. Den Doktor konnte er nicht bestrafen lassen, die Arbeiter in der pharmazeutischen Fabrik konnte er nicht büßen lassen – diese Gedanken gingen ihm im Kopf herum und fachten
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