Jamey. Das Kind, das zuviel wußte
Glucksen der Fische, wenn sie nach den Algen schnappten, welche die feuchten Steine am Rand des Beckens bedeckten, dem Rauschen der Glyzinie, deren Ranken der Wind bewegte. Es wurde langsam Abend, der Garten war jetzt beinahe ganz in Schatten getaucht. Der Jasmin ließ seinen schweren Duft ausströmen. Ich sah zu, wie die Farben und Formen immer dunkler und schließlich zu Silhouetten wurden.
Die Schönheit dieses Abends hatte mir innere Ruhe gegeben. Mitten in diese Stille hinein ertönte das Telefon.
»Hier Dr. Delaware.«
»Das klingt aber steif, Alex«, sagte eine jugendliche Stimme, zugleich setzte ein störendes Nebengeräusch ein.
»Bist du es, Lou?«
»Wer denn sonst?«
»Ich habe mich deshalb so offiziell gemeldet, weil ich mit jemand ganz anderem gerechnet hatte.«
»Ich bin geknickt, hoffentlich kommst du über diese Enttäuschung hinweg!«
Ich musste lachen. Das Nebengeräusch im Apparat wurde stärker. »Die Verbindung ist miserabel, Lou. Von wo rufst du an, bist du auf einem Schiff oder am Strand?«
»Es ist ein Schiff diesmal. Ich habe eine Ladung von investitionsfreundlichen Immobilientypen an Bord, Türkei und so. Dazu jede Menge Thunfisch und Makrelen und genügend Rum, um ihnen alle Hemmungen zu nehmen.«
Lou Cestare hatte bei mir schon seit längerer Zeit einen Stein im Brett. Vor Jahren, in der Zeit, als ich so viel Geld verdiente, dass ich oft nicht wusste, wohin damit, half er mir, es vernünftig anzulegen. Ich kaufte Immobilien und Wertpapiere, und Lou versicherte mir, dass ich den Rest meiner Tage nicht mehr zu arbeiten brauchte, vorausgesetzt, ich führte ein einigermaßen geregeltes Leben. Lou war jung und temperamentvoll, ein gut aussehender, blauäugiger, wortgewandter Norditaliener. Als er siebenundzwanzig war, erschien im Wall Street Journal ein Artikel über ihn, in dem er als einer der gerissensten Spekulanten bezeichnet wurde. Mit dreißig war er leitender Angestellter in einer großen Investmentfirma mit guten Chancen, weiter aufzusteigen. Dann entschied er sich für einen neuen Lebensstil. Er stieg aus dem Firmenleben aus und zog mit Frau und Kind nach Oregon, um auf eigene Faust für nur wenige ausgesuchte Kunden zu arbeiten. Die meisten waren hochkarätig, Leute wie mich beriet er nur aus Sympathie. Mittlerweile arbeitete er entweder in seinem Haus in Willamette Valley oder einer Dreißigmeteryacht, die Ansporn hieß. Beide Behausungen waren ausreichend mit Computern bestückt, um online mit einer ganzen Meute internationaler Börsenhaie Verbindung zu halten.
»Dein Portefeuille tauchte neulich auf meinem Bildschirm auf, Alex. Ich hab es mir genau angesehen, präzise wie ein Zahnarzt. Es wird Zeit für den Halbjahrsscheck.«
»Was steht an?«
»Du hast im Moment zweihundertachtzigtausend in steuerfreien Wertpapieren mit einem durchschnittlichen Ertrag von 8,73 Prozent, das ergibt ein jährliches Einkommen von vierundzwanzigtausendvierhundertvierzig, an die Uncle Sam nicht rankommt. Neunzigtausend davon werden in den nächsten paar Monaten fällig. Vorwiegend das ältere Zeug mit einer geringeren Ertragsrate von 7,9 Prozent durchschnittlich. Die Frage ist: Willst du mehr kommunale Anleihen, oder soll ich dir Wertpapiere von Firmen mit hohem Ertrag besorgen oder Staatsanleihen? Du musst sie zwar versteuern, aber wenn du nicht viel verdienst, bringen die höheren Ertragsraten auch Geld in deine Tasche. Nach meinen Unterlagen hast du letztes Jahr ungefähr zweiundvierzig Riesen verdient. Wie viel wird’s in diesem Jahr?«
»Ich arbeite etwas mehr, es werden etwa sechstausend im Monat.«
»Brutto oder netto?«
»Brutto.«
»Irgendwelche Absetzmöglichkeiten?«
»Eigentlich nicht.«
»Letztes Jahr kamen durch Mieteinnahmen und Zinseinkommen einunddreißigtausend zusammen. Könnte sich diese Summe aus irgendwelchen Gründen ändern?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Dann kommst du also auf etwas über hunderttausend, immer noch eine starke fünfzigprozentige Steuerquote. Wenn du nicht unbedingt flüssiges Geld brauchst und auch nicht spielen willst, wären die kommunalen Anleihen das Beste.«
»Von was für einem Spiel redest du?«
»Es gibt da ganz neue Over-the-counter-Emissionen, die meisten noch ungelistet. Ich habe hier eine Firma, Optische Speicher, Sitz in der Schweiz, die sehr viel versprechend aussieht, außerdem ein Müllverwertungssyndikat in Pennsylvania und noch etwas, das ganz auf deiner Linie liegt: eine Firma in Carolina, spezialisiert in der
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