Jan Fabel 01 - Blutadler
zäher als die meisten von uns. Und sie wird von einem vollständigen Team unterstützt.«
Susanne schien das nicht zu beruhigen, und ihre Besorgnis veranlasste Fabel, Werner anzurufen, der den Funkverkehr des Überwachungsteams abhörte. Bisher gab es noch nichts zu melden. Es war Fabels dritter Anruf, und Werner reagierte wie ein Babysitter, der einen ängstlichen Vater beruhigen muss. Anna sei an Ort und Stelle und warte auf MacSwain. Wenn sich irgendetwas Nennenswertes ereigne, werde er Fabel sofort unterrichten.
Nach ihrer Mahlzeit spazierten Fabel und Susanne durch den Park hinunter zur Alster und setzten sich auf eine der Bänke am Wasser. Die Sonne ging hinter ihnen unter, sodass sich ihre Schatten vor ihnen dehnten.
»Tut mir Leid, dass ich einen so schlechten Gesellschafter abgebe«, meinte Fabel schwach lächelnd zu Susanne.
Sie beugte sich vor und küsste ihn sanft, doch sinnlich auf die Lippen. »Ich weiß. Es liegt an dem Fall.« Sie küsste ihn erneut. »Lass uns in deine Wohnung gehen und uns ein bisschen betrinken.«
Fabel lächelte. »Einverstanden.«
Sie waren gerade aufgestanden, als Fabels Handy klingelte. Er klappte es auf und erwartete, Werners Stimme zu hören.
»Jan, hier ist Mahmoot.«
»Verdammt, Mahmoot, wo bist du denn? Ich wollte schon ...«
Mahmoot schnitt ihm das Wort ab. »Jan, ich muss mich jetzt sofort mit dir treffen. Es ist wichtig, und ich möchte nicht am Telefon mit dir reden.«
»Einverstanden.« Fabel blickte auf seine Armbanduhr, schaute Susanne an und machte eine entschuldigende Geste. »Wo bist du?«
Mahmoot nannte eine Adresse in der Speicherstadt. »Was, zum Teufel, hast du da zu suchen?« Fabel lachte. »Versorgst du dich mit Kaffee?«
Mahmoots übliche gute Laune schien ihn verlassen zu haben.
»Komm einfach her. Jetzt gleich.«
»Schön, es wird zehn Minuten dauern.«
»Und, Jan ...«
»Ja?«
»Komm allein.«
Die Leitung war tot. Fabel klappte sein Handy zu. Seit sie miteinander umgingen, hatte er Mahmoots Anonymität nie dadurch gefährdet, dass er einen anderen Beamten mitbrachte. Mahmoot hätte nichts Überflüssigeres sagen können. Die Worte waren nur dann plausibel, wenn jemand Mahmoot befohlen hatte, sie auszusprechen. Jemand, der sichergehen wollte, dass Fabel allein war. Er wandte sich an Susanne.
»Es tut mir wirklich Leid. Ich muss weg.«
»Hat es mit Son of Sven zu tun?«
»Nein. Aber ein Freund von mir könnte in Schwierigkeiten stecken.«
»Möchtest du, dass ich mitkomme?«
Fabel reichte ihr seine Wohnungsschlüssel. »Lieber nicht, aber halt das Bett für mich warm.«
»Ist die Sache gefährlich? Solltest du nicht Unterstützung anfordern?«
Er streichelte ihre Wange. »Keine Sorge, es ist nur ein Freund, dem ich helfen muss. Am besten nehme ich meinen Wagen. Mal sehen, ob wir ein Taxi kriegen.«
Hamburg-St. Pauli,
Freitag, den 20. Juni, 21.00 Uhr
Zuerst war Anna höflich und behutsam aufgetreten, aber nachdem fünf Männer rasch hintereinander versucht hatten, sie anzubaggern, waren ihre Antworten schroff und deutlich geworden. Deshalb wirbelte sie mit gebleckten Zähnen herum, als sie das »Hallo!« eines weiteren Bar-Romeos hörte.
MacSwain wich mit erhobenen Händen zurück.
»Entschuldige«, sagte Anna verlegen. »Ich dachte, es sei jemand anders ... oder wer auch immer.«
»Ich fühle mich geschmeichelt.«
»Keine Ursache. Die Konkurrenz ist mies.« Anna musterte ihn von oben bis unten. »Ich dachte schon, du lässt dich nicht mehr blicken.«
»Bin bei der Arbeit aufgehalten worden. Entschuldige.« Er hielt ihr die Hand hin. »Ich heiße John MacSwain.« Und dann auf Englisch: »It's nice to meet you.«
»Sara Klemmer«, erwiderte Anna. Sie benutzte den Namen einer früheren Schulfreundin. »Bist du Engländer?«
»Nicht ganz«, antwortete MacSwain. »Hast du Hunger?« Anna zuckte gleichgültig die Achseln. »Dann lass uns verschwinden.«
Aus der Befehlsstelle in dem geparkten Lieferwagen alarmierte Paul Lindemann die Polizisten innerhalb des Clubs. »Los, wir setzen uns in Bewegung.« Er wandte sich an den MEK-Beamten, der die Montur eines Elektrikers trug. »Wir starten, wenn die beiden ersten Wagen in Position sind.«
Speicherstadt, Hamburg,
Freitag, den 20. Juni, 21.00 Uhr
Die Speicherstadt ist eine der imposantesten Stadtlandschaften Europas. Die neugotischen Gebäude der gewaltigen, bis acht Stockwerke hohen Backsteinlagerhäuser, die von grünspanbedeckten Kupfertürmen
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