Jan Fabel 01 - Blutadler
als Pulver in einer Speise.«
»Michaela Palmer hat uns gerade berichtet, sie sei in einem Club gewesen und irgendein Mann habe ihr salzig schmeckendes Wasser zu trinken gegeben.«
»Das war's wahrscheinlich.«
Fabel blickte auf Sterns Bericht. »Was ist mit der Vergewaltigung? Haben wir gerichtsmedizinische Spuren?«
»Wir können nur sagen, dass sie über einen Zeitraum von zwei bis vier Stunden vaginal vergewaltigt wurde - möglicherweise von mehr als einem Mann. Kein Analverkehr. Kein Oralsex. Und leider kein Samen für die DNS-Analyse. Es müssen Präservative benutzt worden sein. Sie wurde nicht geschlagen oder auf andere Weise misshandelt. Die einzigen sonstigen Verletzungen waren die Fesselungsstriemen an ihren Handgelenken und Knöcheln.« Stern deutete mit dem Kinn auf die Akte in Fabels Händen. »Die Bilder sind dort drin.«
Fabel öffnete den Bericht. Die Fotos zeigten die Spuren an den Handgelenken und Knöcheln der jungen Frau. Sie war wie die Mordopfer mit ausgestreckten Gliedern gefesselt worden. Aber Michaela Palmer hatte überlebt. Ein anderes Foto zeigte die Stirn einer Frau, deren blondes Haar zurückgeschoben war, sodass man ein schwaches rotes Mal erkennen konnte.
»Was ist das?«
Stern lächelte. »Das, Herr Fabel, ist ein Hinweis, den der Vergewaltiger oder die Vergewaltiger beseitigen wollten. Michaela Palmer hat eine äußerst empfindliche Haut und leidet an einem Ekzem. Das ist einer der Gründe für ihre Bräune - UV-Therapie.« Das also ist von meiner Sonnenstudio-Theorie zu halten, dachte Fabel. »Jedenfalls hat der Täter - oder die Täter - irgendein Mal auf ihrer Stirn angebracht. Zwar hat man anschließend versucht, es wieder zu beseitigen, aber die sensible Haut der Frau reagierte auf die Farbe oder auf das, was sonst benutzt worden ist. Ich hielt es für wichtig, deshalb habe ich es aufgenommen, obwohl es kaum als Verletzung zu bezeichnen ist.«
»Und ich bin sehr froh darüber, Herr Doktor«, sagte Fabel. »Es könnte als Indiz sehr wichtig sein.«
»Es kommt mir wie ein ›X‹ vor«, meinte Stern. »Haben Sie eine Ahnung, was es bedeuten könnte?«
Fabel betrachtete das Zeichen. »Das habe ich ... Ich glaube, es ist eine Futhark-Rune.«
Stern hob verständnislos die Schultern. Susanne reckte sich zu Fabel hin, der ihr das Bild entgegenstreckte. »Eine Wikingerrune?«
Fabel nickte und schob das Foto zurück in die Akte.
Hamburg-Övelgönne,
Samstag, den 14. Juni, 15.50 Uhr
Susanne beugte sich zu Fabel hinüber, streichelte seine Wange und küsste ihn, bevor sie aus dem Auto stieg.
»Treffen wir uns heute Abend noch?«
Fabel grinste. »Ja.«
»Dann bis acht.«
Er sah zu, wie sie die Stufen zur Eingangshalle ihres Wohnhauses hinaufging, und bewunderte die Kurven ihres geschmeidigen Körpers. An der Tür drehte sie sich um und winkte, und Fabel winkte zurück. Nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, blieb er einen Moment lang ruhig sitzen, bis er sein Handy hervorholte und Werner zu Hause anrief. Als Werner sich meldete, glaubte Fabel, im Hintergrund Kinder zu hören. Nadja, Werners älteste Tochter, hatte ihn zum doppelten Großvater gemacht. Fabel entschuldigte sich, dass er seinen Mitarbeiter an einem Samstag störte.
»Keine Ursache. Was ist los, Jan?«
Fabel berichtete Werner von seinem Gespräch mit Michaela Palmer. Er erwähnte auch ihre Beschreibung der Augen des Mannes im Club. Fabel hob diese Einzelheit absichtlich nicht hervor, um herauszufinden, ob Werners Reaktion mit seiner übereinstimmte. Als Werner ein paar Sekunden lang schwieg, wusste Fabel, dass sie der gleichen Meinung waren.
»Unser Mann von gestern Abend? Der coole Angelsachse?«
»Schon möglich. Vielleicht sollten wir ihm erneut einen Besuch abstatten.«
»Vorsichtig, Jan«, sagte Werner. »Du willst ihn doch nicht warnen. MacSwain wird rund um die Uhr überwacht. Wenn er den kleinsten Fehler begeht, haben wir ihn sofort am Kragen. Aber die Tatsache, dass er Bücher kauft und grüne Augen hat, bietet kaum einen hinreichenden Grund, ihn uns erneut vorzunehmen. Wir waren schon davor auf dünnem Eis. Wenn er zum Anwalt gegangen ist und sich Rat geholt hat, weiß er, dass wir ihm ohne konkrete Beweise nichts anhaben können.«
»Du hast Recht, Werner«, sagte Fabel. »Aber ruf die anderen Team-Mitglieder an und schick van Heiden eine E-Mail. Ich möchte am Montagmorgen gleich als Erstes eine Fallbesprechung abhalten.«
»Was ist mit Dr. Eckhardt? Soll
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