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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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einer anderen Frau erwischt? Oder war es ein eifersüchtiger Ehemann, der ihm gefolgt ist? Dann könnte ich die Sache mit den Augen verstehen. Er starrte dauernd andere Frauen an. Immer.«
    Maria musterte Ingrid Ungerer. Sie war mäßig attraktiv, hatte eine durchschnittliche Größe und Figur sowie kurzes kastanienbraunes Haar. Ein sympathisches Gesicht, das kaum jemandem auffiel. Aber wer es bemerkte, nahm einen schwach verhüllten Kummer wahr. Maria sah eine alte Trauer, eine Melancholie, die Ingrids neuer Schmerz nur zeitweilig verdrängt hatte.
    »Ihr Mann hat sich mit anderen Frauen getroffen?«, fragte Maria.
    Ingrid lachte bitter. »Lieben Sie Sex?« Sie stellte die Frage, als wolle sie sich nach der Uhrzeit erkundigen. Maria war verblüfft, denn die Frage ging ihr näher, als Frau Ungerer beabsichtigt hatte. Zum Glück erwartete sie keine Antwort. »Bei mir war es früher so. Ich bin ein sehr physischer Mensch. Aber Sie wissen ja, wie es bei einer langen Ehe ist. Die Leidenschaft schwindet, denn Kinder rauben einem die Kraft und töten den Sexualtrieb ab.«
    »Entschuldigung, das weiß ich nicht. Ich bin nicht verheiratet.«
    »Aber Sie haben einen Freund?«
    »Im Moment nicht.« Marias Tonfall war unverändert. Über diesen Bereich ihres Lebens wollte sie nicht mit einer Fremden sprechen, auch wenn es eine Hinterbliebene war.
    »Die Dinge kühlten sich ein wenig ab, nachdem Bernd und ich geheiratet hatten. Wie das so ist. Es war ein bisschen zu kühl für mich, um ehrlich zu sein, aber Bernd hatte eine anstrengende Arbeit und war oft todmüde, wenn er nach Hause kam. Doch er war ein wunderbarer Ehemann, Frau Klee. Treu, hilfsbereit, fürsorglich und ein großartiger Vater.« Ingrid stand auf und holte einen Schlüsselbund aus ihrer Handtasche. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Sie führte Maria hinaus auf den Flur, durch einen Torbogen und eine Treppe hinunter. Im Keller schaltete sie das Licht an. Es gab die übliche Ansammlung von Gegenständen, die keinen Platz in den Wohnräumen fanden: Fahrräder, Vorratskästen, Winterstiefel. Ingrid blieb vor einer großen Truhe stehen und legte die Hand darauf, machte jedoch keinen Versuch, sie zu öffnen.
    »Es hat vor ungefähr sechs Monaten angefangen. Bernd begann, sagen wir mal, aufmerksamer zu werden. Zuerst hatte ich nichts dagegen. Aber wir schienen von einem Extrem ins andere zu wechseln. Wir schliefen jede Nacht miteinander, manchmal zweimal pro Nacht. Es wurde immer… heftiger. Und dann war es nicht mehr so, als ob wir uns liebten. Er tat es, und ich schien gar nicht da zu sein. Als ich eines Nachts sagte, ich sei nicht in der Stimmung…« Ingrid hielt inne, betrachtete den Schlüsselbund und befingerte ihn wie einen Rosenkranz. »In der Nacht machte er ganz deutlich, dass es ihn überhaupt nicht kümmerte, ob ich in der Stimmung war oder nicht.«
    Maria legte die Hand auf Ingrids Arm, doch diese wich ein wenig zurück. »Damals erfuhr ich von den anderen Frauen. Er arbeitete noch für die alte Firma, die ihn seit Jahren beschäftigt hatte, und plötzlich musste er zu dem Unternehmen wechseln, bei dem er jetzt ist…« Sie schüttelte den Kopf, als sei sie verärgert über sich selbst, und korrigierte sich: »Ich meine, die Firma, für die er bis jetzt gearbeitet hat. Erst vor kurzem fand ich heraus, dass sich zwei Frauen in dem alten Betrieb über ihn beschwert hatten.«
    »Das ist schlimm, Frau Ungerer. Deshalb glauben Sie also, es könnte ein eifersüchtiger Ehemann gewesen sein? Aber das ist vermutlich nicht der Fall. Wir haben Grund zu der Annahme, dass der Mord an Ihrem Mann von jemandem begangen wurde, der schon eine Reihe nicht miteinander zusammenhängender Personen getötet hat.«
    Ingrid Ungerer sah Maria mit leerer Miene an und fuhr fort, als hätte sie ihre Worte nicht gehört. »Ich weiß von einem halben Dutzend Frauen allein in den letzten sechs Monaten. Und von zahllosen mehr, die ihn abwiesen. Er hat sich überhauptnicht geschämt. Es schien ihm gleichgültig zu sein, dass er sich blamierte… oder mich und die Kinder.« Sie lachte erneut leise und bitter. »Und nicht, dass er mich in Ruhe gelassen hätte. Obwohl er mit anderen Frauen zusammen war, musste ich auch dauernd für ihn bereit sein. Er wurde unersättlich.«
    Mit den Schlüsseln, die sie aus ihrer Handtasche genommen hatte, öffnete sie die Truhe und klappte den Deckel auf, um ihren Inhalt zu enthüllen. Die Truhe war mit harter Pornografie vollgepackt: Zeitschriften,

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