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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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könnte man jemanden ›unter der Erde‹ festhalten.«
    Sie gingen die Treppe hinauf, und Fabel drückte auf einen alten Klingelknopf aus Porzellan. Irgendwo tief im Inneren des Hauses läutete es mehrmals. »Du führst das Gespräch, Anna. Ich stelle nur dann eine Frage, wenn ich zusätzliche Informationen benötige.«
    Die Tür öffnete sich. Fendrich schien eher Ende vierzig als Ende dreißig zu sein. Er war groß und mager und hatte eine graue Haut. Sein stumpfes blondes Haar war dünn und glatt, und die Haut seines hohen, gewölbten Schädels schimmerte unter der hellen Lampe in der ausladenden Eingangshalle. Er schaute mit einem Ausdruck gedämpfter Neugier zwischen Anna und Fabel hin und her. Anna streckte ihm ihre ovale Dienstmarke hin.
    »Kriminalpolizei Hamburg, Herr Fendrich. Können wir mit Ihnen sprechen?«
    Fendrichs Züge verhärteten sich. »Worum geht’s?«
    »Wir sind von der Mordkommission, Herr Fendrich. Vorgestern wurde die Leiche eines jungen Mädchens am Blankeneser Strand gefunden…«
    »Paula?«, unterbrach Fendrich. »War es Paula?« Seine Miene änderte sich erneut, und Fabel glaubte, einen Anflug von Furcht in ihr zu entdecken.
    »Wenn wir uns vielleicht drinnen unterhalten könnten, Herr Fendrich«, schlug Fabel mit leiser, beruhigender Stimme vor.
    Fendrich schien einen Moment lang verstört zu sein und trat dann resigniert zur Seite, um sie einzulassen. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, wies er auf das erste Zimmer, daslinks von der Halle abging. »Kommen Sie mit in mein Arbeitszimmer.«
    Der Raum war groß und unaufgeräumt und wurde scharf von einer zu hellen Neonröhre beleuchtet, die unharmonisch von einer schmuckvollen Deckenrose herabhing. An sämtlichen Wänden außer der, deren Fenster auf die Straße hinausblickte, befanden sich Bücherregale. Ein mächtiger Schreibtisch stand fast genau in der Mitte des Zimmers. Darauf waren weitere Bücher und Papiere verstreut, und ein Gewirr aus Kabeln und Drähten ergoss sich aus einem Computer und einem Drucker. Bündel von Zeitschriften und Zeitungen, mit Bindfäden umschnürt, waren wie Sandsäcke unter dem Fenster aufgestapelt. All das wirkte chaotisch. Doch als Fabel das gesamte Zimmer betrachtete, spürte er eine organisierte Unordnung, die vermuten ließ, dass Fendrich jeden Gegenstand, den er benötigte, auf Anhieb fand. Irgendetwas an dem Raum strahlte Konzentration aus, als ob sich Fendrichs Leben – ein traurig funktionelles Leben – hauptsächlich hier abspielte. Fabel hatte plötzlich den Drang, den Rest dieses großen Hauses zu durchsuchen, um herauszufinden, was es jenseits dieses kleinen Konzentrationspunktes barg.
    »Nehmen Sie Platz«, sagte Fendrich und befreite zwei Stühle von ihrer Last aus Büchern und Zeitungen. Noch bevor die beiden sich hingesetzt hatten, fragte er erneut: »Dieses Mädchen, das Sie gefunden haben – war es Paula?«
    »Nein, Herr Fendrich«, antwortete Anna. Die Spannung in Fendrichs Miene ließ nach, doch Fabel hätte sie nicht als erleichtert bezeichnet. Anna fuhr fort: »Aber wir haben Grund zu der Annahme, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Tod des Mädchens und Paulas Verschwinden gibt.«
    Fendrich lächelte säuerlich. »Also wollen Sie mich wieder drangsalieren. Das habe ich von Ihren Norderstedter Kollegen schon zur Genüge erlebt.« Er ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder. »Ich wünschte, Sie würden mir glauben, dass ich nichtsmit Paulas Verschwinden zu tun hatte. Ich wünschte, Sie würden mich in Ruhe lassen, verflucht noch mal.«
    Anna hob die Hand zu einer versöhnlichen Geste und lächelte entwaffnend. »Hören Sie zu, Herr Fendrich. Ich weiß, dass Sie, äh, vor drei Jahren Probleme mit den Norderstedter Ermittlern hatten. Aber wir sind aus Hamburg und arbeiten für die Mordkommission. Wir untersuchen den Fall Paula Ehlers nur, um festzustellen, ob es eine Verbindung zu dem toten Mädchen gibt. Unser Gespräch mit Ihnen dient einer ganz anderen Ermittlung. Sie verfügen vielleicht über eine Information, die für diesen neuen Fall relevant ist.«
    »Sie behaupten also, dass ich in keinem dieser Fälle verdächtigt werde?«
    »Sie wissen, dass wir keine derart absolute Erklärung abgeben können, Herr Fendrich«, sagte Fabel. »Wir rätseln noch, nach wem wir Ausschau halten. Aber im Moment interessieren wir uns für Sie als Zeugen, nicht als Verdächtigen.«
    Fendrich zuckte die Achseln und ließ sich auf seinen Stuhl zurücksacken. »Was möchten Sie

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