Jane Christo - Blanche - 01
drückte das Buch lächelnd an sich. Lesestunde mit einem Dämon? Das war doch mal etwas anderes. Nach kurzem Zögern rutschte sie zu ihm und schmiegte ihren Rücken an seine Brust. Beliars Arme umfingen sie und zogen sie näher, bis sie seinen warmen Atem im Nacken spürte. Dann öffnete sie das Buch und begann mit dem ersten Kapitel.
Nachdem sie eingeschlafen war, betrachtete er ihr entspanntes Gesicht, während er ihren gleichmäßigen Atemzügen lauschte. Obwohl er ihre Zweikämpfe genoss, empfand er eine gewisse Befriedigung, sie so gelöst zu sehen. Ebenbürtige Gegner waren selten, doch sie hatte zweifellos das Zeug dazu, ihn zu vernichten.
Warum erregte ihn dieser Gedanke? Seine Finger strichen über ihr Haar, die Schulter, glitten ihren Arm entlang, bis er ihre schmale Hand ergriff. Er hob sie an den Mund und küsste die Innenfläche. Dabei schloss er die Augen und sog ihren himmlischen Duft ein, eine Mischung aus Sonne und Mirabellen. Im Schlaf hatte sie sich an ihn geschmiegt, doch sie wurde von dunklen Erinnerungen verfolgt. Beliar atmete tief ein und nahm ihre Albträume auf. Ihre Sorgen und Schuldgefühle. Blanches Wut basierte auf der Angst, zu versagen. Im Grunde ähnelte sie ein bisschen der Hauptfigur ihres Lieblingsromans. Genau wie dieses Mädchen fühlte sie sich verraten und verkauft. Und genau wie ihre Heldin war sie davongelaufen.
Er küsste ihren Handrücken und vermischte dadurch die elektromagnetischen Schwingungen, seine dunkle Energie und ihre helle. Die Berührungspunkte bildeten eine Art Grauzone, die bei jeder Bewegung silbrig aufleuchtete.
Mit geschlossenen Augen fuhr er mit der Nase über ihr Haar. Blanches Energie hatte eine seltsam beruhigende Wirkung, es war ein bisschen wie Nachhausekommen. Eine Oase des Friedens mitten auf dem Schlachtfeld. Und er hatte viele Schlachten geschlagen. Schon vor seiner Zeit mit Saetan war er ein Warlord gewesen, denn Krieg lag ihm im Blut. In den ersten Jahrhunderten nach seiner Wandlung war sein Hass auf diese Welt fürchterlich gewesen. Er hatte unter den Sterblichen gewütet, die an einen Gott glaubten, der ihn fallen gelassen und aus seinem Reich verbannt hatte. Zorn hatte seinen Geist verdunkelt, der immer mehr einem vergifteten Brunnen ähnelte, aus dem er täglich trank. Dennoch sehnte er sich nach Erlösung, das Einzige, das er nicht haben konnte.
Schließlich änderten sich die Zeiten. Saetan verhandelte mit den Seraphen, Verträge wurden abgeschlossen und die Kämpfe subtiler ausgetragen. Auf der Suche nach innerem Frieden zog er sich mehr und mehr von dieser Welt zurück, verbittert über die Ausweglosigkeit seines Schicksals.
Sein Blick wanderte über Blanches gelöste Züge und abermals fühlte er sein Herz, das mit einem Mal schneller schlug.
Hatte Saetan ihn getäuscht? Diente die Verzweiflung, in die er seinen Seneschall gestürzt hatte, am Ende nur dazu, ihn zu kontrollieren? Der Gedanke hing blutend in der Luft, während sich die Antwort quälend langsam in sein Bewusstsein brannte.
Das hier war neues Terrain, er besaß keine Erfahrung mit Gefühlen dieser Art. Dämonen wie er hatten keine Zukunft in dieser Welt, für ihn gab es keinen Frieden. Und keine Liebe.
Dennoch sehnte er sich jeden Tag mehr danach, denn Blanche strahlte Leben und Hoffnung aus. Sie war seine Chance, sein Licht und sein Halt.
9
L
eise klirrendes Porzellan und das Aroma frisch aufgebrühten Kaffees weckten Blanche am nächsten Tag. Alarmiert schreckte sie auf und schnappte nach Luft. Normalerweise hatte sie einen leichten Schlaf und kam mit fünf Stunden Nachtruhe aus. Doch ein Blick auf die Kaminuhr verriet, dass sie abermals zwölf Stunden im Reich der Träume verbracht hatte.
Was war nur mit ihr los? Seit Waynes Tod schien sie alle Regeln über Bord geworfen zu haben. Jetzt schlummerte sie schon seelenruhig ein, ohne vorher Fenster und Türen zu sichern. Als Krönung hatte sie ihre Waffe in der Nacht wie einen lästigen Teddy aus dem Bett geboxt. Blanche fand sie auf dem Boden vor dem Nachttisch – außer Reichweite und somit vollkommen nutzlos. Wenigstens steckte die Jetfire noch im Bettrahmen. Beliar musste die Pistole gesehen haben, doch er hatte sie weder angerührt noch eine spöttische Bemerkung gemacht, wofür sie ihm dankbar war.
Nachdem sie sich angezogen und ihre Ausrüstung angelegt hatte, trug sie Beliar ihre Strategie vor, wie sie Zoeys Hauptquartier aufspüren wollte. Obwohl er ihr mit ruhiger Miene zuhörte, fiel ihr auf, dass
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