Jasmin - Roman
»Die Luft von Jerusalem!«
»Eine gute Luft, wirklich sehr gut«, sagte Chizkel wie jemand, der wusste, dass es von ihm erwartet wurde, und zog sich wieder in sein Schweigen zurück. »Was soll man machen«, sagte er schließlich, als antwortete er auf eine Frage, die im Raum hing, »sie ist dort geblieben, sie hat zwei Kinder von ihm.«
Mein Vater senkte die Augen. »So ist das Leben«, seufzte er und fügte hinzu: »Inschallah wird sich dir ein Tor in Israel öffnen.«
An der Einfahrt nach Jerusalem wurde mein Vater plötzlich sehr lebendig, erklärte, durch welche Viertel wir fuhren, und sprach von der Stadt in einem stolzen Ton, den ich nie zuvor bei ihm gehört hatte. »In Jerusalem bauen sie nur mit Stein, nicht mit Ziegeln, das ist ein Gesetz aus der Mandatszeit«, sagte er. Chizkel nickte. »Die Altstadt ähnelt Bagdad ein bisschen. Eigentlich auch wieder nicht. Nuri wird sie dir zeigen. Er hat ein Büro dort, er ist der Berater des Ministers, al-Wali von al-Quds.«
Chizkel reagierte nicht. Er ist im Schock, dachte ich.
»Gut«, sagte mein Vater im Ton der Rechtfertigung, als wir die Katamonsiedlungen erreichten, »wir wohnen in einem Immigrantenviertel. Nichts Besonderes, vier Wände und alhamdulillah.«
Wir gingen den Pfad, der zu unserem Haus führte, entlang. Chizkels Hinken war nun augenfällig. Seinen kleinen Tornister trug er über der Schulter. Ich wollte ihm helfen, doch er lehnte ab. Meine Mutter erwartete uns in ihrer Festtagskleidung, angespannt und bereit. Als sie uns erblickte, schwenkte sie die Hände, brach in Jubeltriller aus und bewarf ihn mit Bonbons und Blütenblättern wie einen Knaben bei seiner Bar-Mizwa. Zum ersten Mal seit der Landung lächelte Chizkel.
»Das ist der Tag, auf den wir gewartet haben, gelobt sei Sein Name«, wischte sich meine Mutter die Tränen ab und umarmte ihn wie einen verlorenen Bruder, der nach langen Irrwanderungen zurückkehrt. Sie hatte Chizkel immer geschätzt und ihm ein warmes Plätzchen in ihrem Herzen reserviert. Sie ging in die Küche und kehrte mit einem Tablett mit Tee mit Kardamom und frischem Gebäck wieder. Chizkel trank den heißen Tee, und sein Gesicht enspannte sich wie bei einem durstigen Wanderer in der Wüste, der eine Oase erreicht hat.
»Zu Hause!«, sagte er, und seine Hände beschrieben einen Kreis in der Luft, unterstrichen das Wort.
»Geh duschen, spül das Gefängnis von dir ab«, schlug meine Mutter vor und drückte ihm ein Handtuch, neue Kleider und ein Beutelchen mit Rasier- und Waschzeug in die Hand, das sie vorausschauend besorgt hatte.
»Hab ich«, sagte er und deutete auf seinen kleinen Tornister.
»Wirf alles weg, nimm das neue«, entgegnete meine Mutter.
Als er in die Dusche ging, flüsterte sie: »O weh, es ist nichts von ihm übrig geblieben. Und was ist mit Raschel?« Mein Vater machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ist sie mit dem Muslim gegangen, ha? Die Arme!«
»Fang nicht mit dem Thema an«, bat mein Vater, der wusste, dass meine Mutter in Rage geriet, wenn Raschels Name fiel. Sie hatte die beiden verkuppelt und hatte sie immer wie eine jüngere Schwester empfunden.
»Ich rieche Gerüche von zu Hause«, sagte Chizkel, als er aus der Dusche kam.
Mein Vater zog aus dem kleinen Koffer eine große Flasche Arrak. »Zuerst einmal stoßen wir an und trinken. Das ist ein Arrak aus Ramallah, ich habe ihn nach der Befreiung Jerusalems gekauft und geschworen, dass wir ihn trinken, wenn wir dich wiedersehen, ich wusste nicht, ob es mir vergönnt sein würde …«
Meine Mutter füllte unsere Teller mit Leckerbissen. Chizkel aß maßvoll.
»Gesegnet seien deine Hände. Erinnerst du dich, wie du mir ins Gefängnis immer Essen durch Kabi geschickt hast? Der gute Geruch hat mich in der Isolationshaft durchhalten lassen.«
»Wo haben sie dich festgehalten?«, fragte mein Vater.
»In Nugrat Salman, einem entlegenen Loch in der Hölle ohne Zugangsstraße. Sieben Stunden Fahrt auf einer Wüstenpiste von der Zugstation in Samawa. Und man braucht einen Spezialisten als Fahrer. Im Winter ist der Ort vier volle Monate abgeschnitten, nur ein überragender Führer auf einem Kamel kann hingelangen. Das Gefängnis ist grauenhaft, glühende Hitze bei Tag und eisig in der Nacht. Ekelerregendes Essen und morastiges Wasser. Und keine Möglichkeit zu fliehen. Wer es riskiert, ist des Todes, von der Hand der Aufseher oder weil er in der Wüste verdurstet.«
»Und wie bist du rausgekommen?«, fragte meine Mutter.
»Wallah, bei
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