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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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etwa triumphierende Überheblichkeit statt eines freundlichen Grußes sahen.
    »Alles zu, Dreckspack. Komm, wir fahren in die Salah-ed-Din-Straße, denen ihre Diezengoff sozusagen.«
    »Bloß ein kleines Zentrum«, sagte ich enttäuscht, als wir sie erreichten, als sei ich gekommen, um eine Kusine zu sehen, die mir versprochen worden war und die meinen Wünschen nicht entsprach.
    »Warte, wart nur, du hast noch überhaupt nichts gesehen, das ist noch nicht die Altstadt.«
    »Medinat as-Salam, die Stadt des Friedens«, deklamierte ich.
    »Welcher Frieden bitte?«, bemerkte er und verlangsamte wieder, »Belagerung, Umzingelung, Durchbruch und Befreiung, immer wieder und wieder, und kein Ende.«

5.
    DER ERSTE TAG IN OSTJERUSALEM
    Massen arabischer Bürger der Stadt hatten sich an dem eisernen Tor der Militärverwaltung zuammengeschart, die im Gebäude des Gouverneurs in der Salah-ed-Din-Straße untergebracht war. Eine von Kopf bis Fuß verschleierte Frau schrie, »Ibni, ibni, mein Sohn«, mit Tränen in den Augen. Die gleichen Tränen hatte ich in Bagdad in den Augen der schönen Raschel gesehen, der Frau meines Onkels Chizkel, und ich erinnerte mich, wie sie erstickt an der Schulter meiner Mutter lehnte, als man ihren Mann von ihr losriss und ihn in den Folterkellern der irakischen Geheimpolizei verschwinden ließ. Ich holte Luft und bahnte mir einen Weg durch die Menschen, eilte ins erste Stockwerk in das Büro des Beraters des Generalstabs.
    »Du bist das?« Ich war völlig verblüfft. Ahron Amitai, mein Studienkollege, saß in der Mitte des Büros.
    »Ahlan wa sahlan, Nuri, willkommen«, begrüßte er mich und erhob sich von seinem Stuhl.
    »Ahlan wa sahlan, was für eine Überraschung«, gab ich zurück. Der Raum war überaus luxuriös möbliert: schwere Ledersessel, eine Sitzecke, ein großer, dunkler Schreibtisch, ein farbenprächtiger Teppich. An der Wand hing ein beeindruckendes Foto der Altstadt aus der Perspektive des Ölbergs.
    »Der Generalstabschef hat gebeten, dich ins Bild zu setzen«, sagte er, und sofort informierte er mich mit der für ihn charakteristischen fundierten Sachlichkeit in allen Einzelheiten über die militärischen und zivilen Angelegenheiten, die Hierarchien, die Machtverhältnisse, die Interessen. Es war erkennbar, dass er sich innerhalb weniger Tage ein komplettes System von Bekannten,
Informanten und Helfern unter den Einheimischen aufgebaut hatte. Nach Abschluss des Überblicks sammelte er sorgfältig die Papiere auf seinem Schreibtisch ein, schloss sie in einen Safe und nahm mich zur Sicherheitsstelle mit, um mir die Zugangsgenehmigungen zu den Städten des Westjordanlands und diverser Örtlichkeiten, zumeist Armeelager, zu verschaffen. Als wir fertig waren, schlug er vor: »Komm, wir essen etwas, und du wirst einen interessanten Mann kennenlernen.«
    Amitai war ein paar Jahre älter als ich. An der Universität war er ein exzellenter, ernsthafter Student gewesen, der fließend Arabisch ohne jeden Akzent sprach. Er pflegte die Vorlesungen auf großen Karteikarten zu exzerpieren, und am Ende der Stunde verschwand er immer sofort, vergeudete keine Zeit mit müßigen Plaudereien. Eine Studentin der Fakultät, wir nannten sie nur »die Große«, war ganz verrückt nach ihm und unternahm große Anstrengungen, seine Aufmerksamkeit zu fesseln, doch es gelang ihr nicht einmal, ihm auch nur den Ansatz eines Lächelns zu entlocken. Die Freundschaft zwischen uns entstand erst im dritten Studienjahr, als ich einen kleinen Kreis von Studenten organisierte, die freiwillig mit schwachen Studenten aus dem Musraraviertel arbeiteten und sie auf die Prüfungen vorbereiteten. Die Große, die Amitai überallhin nachlief, wartete auch hier auf ihn, arbeitete mit ihm zusammen, und schließlich blieb er bei ihr hängen. Amitai, der sein Studium fortsetzte und der Erste seines Jahrgangs war, der den Doktorgrad erhielt, wurde in den Lehrkörper aufgenommen, und alle prophezeiten ihm eine große Zukunft. Jetzt verließen er und ich das Areal der Militärverwaltung und gingen in ein nahegelegenes Restaurant. Al-Hurrije - die Freiheit - verkündete das Schild über dem Eingangstor.
     
    »Das ist kein schlechter Ort. Er gehört Abu George, einem Christen aus einer wohlhabenden Familie, die ihre Wurzeln in Bethlehem hat. Ein Journalist mit politischem Bewusstsein. Er amtiert auch als Vorsitzender der Vereinigung der Touristikbranche.«
    Ein Pärchen zauberhafter Kanarienvögel jubilierte in einem Käfig, der am

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