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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Eingang aufgestellt war. Ein scharfer Geruch nach Reinigungsmittel hing in der Luft. Ein kleingewachsener Mann polierte energisch die Tische und Stühle, die alle unbesetzt waren. Wir durchquerten das leere Restaurant und traten in einen schönen, grasbewachsenen Garten hinaus. Er war von einer Rosenhecke umgeben, hinter der ein reich belaubter Granatapfelbaum in voller Blüte stand. An den Zweigen glänzten rötlich zarte Knospen, die Ende des Sommers zu süßen Früchten ausreifen würden. Ein Rasensprinkler fächelte die warme Luft und versprühte erfrischende Fontänen.
    Ein gut aussehender Fünfziger mit hellhäutigem Gesicht trat an unseren Tisch, Abu George, wie sich herausstellte. »Ahlan, Colonel«, wandte er sich an Amitai und schüttelte ihm die Hand. Amitai stellte mich mit meinem vollen neuen Rang vor, und er reichte mir die Hand mit schwachem Drücken. Mit seinem weißen Jackett und der schwarzen Fliege um den Hals erinnerte er mich an Humphrey Bogart in »Casablanca«. Als er gegangen war, um sich um die Bewirtung zu kümmern, flüsterte mir Amitai zu: »Hier musst du mich groß und wichtig machen, und ich dich.«
    »Warum hat er dich Colonel genannt?«
    «Sie haben mir vom ersten Augenblick an einen militärischen Rang angeheftet, sie meinen, ich sei von der Sicherheit.«
    Getreu seinem neuen Image als Nachrichtendienstler erzählte mir Amitai inzwischen, was er über den Gastgeber hatte herausfinden können: Abu George, dessen eigentlicher Name Ibrahim Hilmi war, wurde in den Tagen des untergehenden Osmanischen Reiches geboren. Als Junge, so hatte er Amitai erzählt, habe er General Allenby bei seinem Einzug als Sieger in die Stadt gesehen. Er hatte diese Szene unter Betonung darauf geschildert, dass der siegreiche General am Jaffator vom Pferd stieg und die Heilige Stadt, wie es ihr gebührte, demütig zu Fuß betrat. Der Onkel, der Bruder seiner Mutter, war ein Opfer jenes Krieges geworden, und der Ort, wo er begraben lag, war unbekannt. Als
er erwachsen wurde, nannte er sich nach jenem Onkel »Abu George«, und so rief man ihn seitdem, obwohl er der Vater einer einzigen Tochter, Jasmin, war.
    Ein beleibter Kellner, elegant gekleidet wie im King-David-Hotel, servierte uns Humus und Tehina, Fleischspieße, Gemüsesalat, mit Olivenöl angerichtet, und der Geschmack all dessen versetzte mich auf der Stelle in meine Kindheit zurück. Die Pitabrote waren bauchiger als die unseren, und ihre Mehlmischung war schmackhafter, der Humus war dickflüssig und sättigend, und die Körner darauf waren nicht so fein zermahlen wie bei uns. Doch am allerbesten schmeckte mir das Tehina mit der gehackten Petersilie und dem richtigen Quantum Salz und Zitrone.
    »Ich bedaure, wir haben keine frische Lieferung, das ist alles, was übrig ist«, sagte Abu George.
    »Mögen Ihre Hände gesegnet sein, das Essen ist ausgezeichnet«, antwortete ich freundlich. Er nickte leicht mit dem Kopf und verschwand.
    »Seine Angestellten gehen für ihn durchs Feuer«, fuhr Amitai fort. »Er bezahlt sie großzügig, beteiligt sich an der Erziehung der Kinder, unterstützt sie bei Ausgaben für die Gesundheit. So eine Art Sozialist von der zweiten Alija …«
    Abu George näherte sich uns und ließ sich an der Ecke des Tisches nieder. Ein Taubenpärchen landete auf dem Fensterbrett, und das Gurren verschmolz mit der Stille, die in dem schönen Garten herrschte.
    »Keif al-wathe, wie ist die Lage?«, fragte Amitai auf Arabisch.
    »Schwierig. Was gibt es da zu reden?«, erwiderte Abu George besorgt.
    »Trotzdem, was hört man so?«, beharrte mein Freund.
    »Was soll man sagen? Es ist schwer für mich. 48 habt ihr mich aus Talbieh vertrieben. Ich bin nach al-Quds geflohen, und auch hier seid ihr eingedrungen. Wohin soll ich jetzt fliehen?« Sein Gesichtsausdruck besagte, dass er verstört war, dass die Ereignisse über ihn hereingebrochen waren wie eine Sturzflut.

    »Und was noch?«, drängte Amitai.
    »Was noch?«, wiederholte er die Frage. »Man wartet.«
    »Wartet worauf?«
    »Ana aref, was weiß ich? Auf den König, auf Nasser, auf Amerika, auf Allah«, sagte er im Ton der Verzweiflung, zog eine Gebetskette aus seiner Hosentasche und begann, die Perlen durch seine Finger gleiten zu lassen.
    »Mein Bruder, das ist eine Angelegenheit zwischen euch und uns, nicht Amerika und nicht Russland«, äußerte Amitai ungeduldig.
    Abu George holte tief Luft, schloss die Augen und ließ sich Zeit mit der Antwort. Schließlich zischte er: »Ihr werdet

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