Jay: Explosive Wahrheit (German Edition)
keine Illusionen, aber immerhin waren ihre Ergebnisse auf dem Schießstand rekordverdächtig. Obwohl sie es ständig von allen Seiten hörte, konnte sie keinen Unterschied darin erkennen, ob sie nun auf einen Menschen aus Pappe schoss oder bei einer real existierenden Bedrohung auf einen richtigen Gegner.
Am Vorabend war es nur vernünftig gewesen, Jay das Feld zu überlassen. Er hatte die Umgebung gekannt und genug Unterstützung gehabt, aber heute Morgen war die Situation eine andere. Auch wenn sie sich bisher von ihren Mitarbeitern ferngehalten hatte, was vielleicht falsch gewesen war, so würde sie dennoch nicht brav abwarten und von ihrem sicheren Büro aus zusehen, wie Jay und Clive ein Risiko eingingen.
Nachdem sie ihr karges Frühstück verspeist hatte, überprüfte sie ihre Dienstwaffe und überlegte, was sie anziehen sollte. Eigentlich sprach nichts gegen ihr übliches Outfit aus Hosenanzug und Top, nur bei den Schuhen wählte sie Halbschuhe, die sie eigentlich schon aussortiert hatte. Die Schuhe sahen zwar nicht mehr schön aus, waren aber bequem, und mit ihnen konnte sie zur Not auch lange Strecken laufen. Sie rechnete zwar nicht mit Verfolgungsjagden quer durch San Diego, aber eine gewisse Vorbereitung war nicht verkehrt.
Nach kurzem Suchen fand Elizabeth eine Parklücke für ihren Dienstwagen in unmittelbarer Nähe des Restaurants. Jetzt musste sie nur noch herausbekommen, wo sich Jay und Clive befanden. Vermutlich würden die Männer erst in letzter Minute erscheinen oder sogar später als geplant. So lange im Wagen herumzusitzen, wäre im Zweifel zu auffällig.
Sich nach allen Seiten umblickend stieg sie aus und schlenderte in die Richtung, die von dem Zielobjekt wegführte. An der nächsten Straßenecke war ein Buchladen, der auch allen möglichen Touristenkram verkaufte. Dort konnte sie einige Minuten ungestört stöbern und auf Jay und Clive warten.
Ohne Vorwarnung wurde sie an der Schulter gepackt und in einen Hauseingang gezogen. Die Schrecksekunde dauerte zu lange. Als sie endlich ihre Waffe aus dem Gürtelhalfter ziehen wollte, wurde sie mit einem festen Griff daran gehindert.
»Was machst du hier?«
Tief durchatmend kämpfte sie gegen den Schock an. Wütend war nicht annähernd die richtige Bezeichnung für Jays gegenwärtige Gemütslage. Seine leise, beherrschte Stimme und der kalte Blick verstärkten den bedrohlichen Eindruck. Sie erkannte ihn kaum wieder. Es war keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem Mann vorhanden, dessen Gesellschaft sie am Vorabend genossen oder dessen lässiges Auftreten sie gereizt hatte. Aber dennoch würde sie sich von ihm nicht einschüchtern lassen.
»Zu zweit seid ihr zu wenige. Wenn wir von dem Besitzer und seinen Angestellten ausgehen, erwarten euch mindestens zehn Leute, eher mehr, und keiner weiß, ob und wie sie bewaffnet sind. Normalerweise wäre hier eine halbe Hundertschaft im Einsatz. Ich werde euch begleiten.« Wieso rechtfertigte sie sich eigentlich? Auch in ihr stieg jetzt Wut auf, und sie musste sich um einen leisen Ton bemühen. Ihn laut anzubrüllen hätte besser zu ihrer Stimmung gepasst. »Außerdem hast du meine Entscheidungen hinzunehmen und nicht zu hinterfragen, Jay. Sonst kannst du in Zukunft in Alaska nach Drogen und Verbrechern fahnden.«
Ein winziger Anflug seines sonstigen Humors blitzte in seinen Augen auf und milderte die Kälte. »Alaska? Nur, wenn du mitkommst und mich wärmst, Rotkopf.«
Das war eindeutig nicht die korrekte Antwort oder der passende Umgang zwischen Vorgesetzter und Untergebenem, und sie knirschte vor Ärger mit den Zähnen.
»Wovon träumst du denn noch, DeGrasse? Und lass mich endlich los, ehe ich dir zeige, dass ich bei der Nahkampfausbildung verdammt gut aufgepasst habe.«
Erst jetzt schien er zu bemerken, dass er immer noch ihren Arm umklammerte. Mit gerunzelter Stirn löste er seinen Griff, und Elizabeth schaffte es gerade noch, sich zurückzuhalten und nicht über die Stelle zu reiben.
»Wir klären das später. Du bleibst in Deckung, während Clive und ich uns den Kerl schnappen.«
»Es gibt nichts zu klären, außer dass du dringend Nachhilfe im korrekten Umgang mit Vorgesetzten brauchst. Ich bin nicht hier, um euch zuzusehen, sondern werde mit reingehen. Ich übernehme die Angelegenheit mit Clive und du kannst uns meinetwegen Deckung geben.«
»Irrtum, Beth. Wenn du unbedingt drauf bestehst, wirst du schön an meiner Seite bleiben. Für Rückendeckung ist gesorgt.« Er atmete tief durch und
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