Je sueßer das Leben
ermahnt Mark sie. Er fängt an, die Trauben für Gracie herauszusuchen, eine nach der anderen. Er spürt, dass Julia ihn ansieht.
»Wann hat Gracie Livvy besucht?« Die Anspannung ist in Julias Stimme zurückgekehrt.
Mark räuspert sich. Er wagt es nicht, sie anzusehen. »Gestern. Wir sind Livvy zufällig im Supermarkt über den Weg gelaufen, und dann bekam ich einen dringenden Anruf wegen der Arbeit, und sie hat angeboten, ein paar Stunden auf Gracie aufzupassen …«
»Du hast sie mit Livvy allein gelassen?« Julia springt auf und reißt Gracie hoch, die gerade noch eine Traube stibitzen will. »Ohne mit mir darüber zu reden? Ohne mich zu fragen?« Die letzte Frage schleudert sie ihm entgegen, bevor sie mit Gracie auf dem Arm aus der Küche stürmt.
Gracie sieht Mark ängstlich an. Er läuft ihnen nach. Julia rennt die Treppe hinauf, zwei Stufen auf einmal nehmend.
»Es war ein Notfall, Julia«, sagt er. »Ich hatte keine Zeit und wusste nicht, wo du warst. Wir haben beinahe unseren wichtigsten Kunden verloren. Dir bedeutet das nichts, aber für mich ist es eine Riesenchance. Für uns. Danach werden wir uns die Projekte aussuchen können und müssen nicht mehr so viel arbeiten und um jeden Auftrag kämpfen. Dann habe ich mehr Zeit für Gracie und kann auch mehr zu Hause machen …«
»Warum? Weil ich das nicht kann?« Julia spuckt die Worte aus, während sie die Tür zu Gracies Zimmer aufstößt. Die Tür kracht gegen die Wand, schwingt zurück, und Gracie fängt vor Schreck an zu weinen. »Weil ich eine unfähige Mutter und beschissene Hausfrau bin?«
»Das habe ich nicht gesagt. Aber darüber sollten wir nicht jetzt reden …«
»Wann denn dann, Mark? Wann ist denn der richtige Zeitpunkt dafür? Für einen von uns passt es nie. Du beklagst dich doch, dass wir nie miteinander reden, also lass uns jetzt reden!« Ihre Wut macht ihm Angst, Julia setzt sich auf die Bettkante, Gracie auf dem Schoß.
Mark will seine Tochter nehmen, die inzwischen wie am Spieß brüllt, aber Julia schlägt seine Hand weg und funkelt ihn an. »Geh«, sagt sie.
Jetzt reicht es Mark. »Den Teufel werd ich tun.« Er wird Gracie nicht allein lassen, und er wird sich von Julia nicht mehr die Bedingungen ihrer Beziehung diktieren lassen. Es reicht ihm, ein für alle Mal.
Vielleicht liegt es daran, dass es schon spät ist oder dass Kinder, wenn sie verzweifelt sind, sich völlig in sich zurückziehen, jedenfalls schläft Gracie auf Julias Schoß ein, schniefend und mit tränennassen Wangen. Julia hält sie noch ein paar Minuten im Arm, dann legt sie sie sanft ins Bett und deckt sie zu.
Sie fegt an Mark vorbei aus dem Zimmer. Er schließt leise die Tür hinter sich und folgt Julia in die Küche, wo sie dabei ist, die Schüssel Obstsalat mit einem Stück Alufolie abzudecken.
»Wie konntest du das nur tun, Mark?« Julia reißt die Folie mit einem hässlichen Ratschen am gezackten Rand der Schachtel ab.
Mark hat genug davon, wie Julia sich aufführt, von diesem ständigen Auf und Ab. »Wie konnte ich was tun, Julia? Ich habe Gracie ein paar Stunden in der Obhut deiner Schwester gelassen. Sie hat sich prächtig amüsiert. Beide haben sich prächtig amüsiert! Was ist daran verkehrt?«
Julia deutet auf die Liste mit den Telefonnummern von Gracies Kindergartenfreunden am Kühlschrank. »Sie hätte zu irgendjemandem aus ihrer Gruppe gehen können, Mark!«
»Nein, das hätte sie nicht, weil ich die Liste nämlich nicht dabeihatte, als ich im Supermarkt stand, und Livvy war nun mal zufällig gerade da.«
»Warum ausgerechnet sie, Mark?«
»Ich habe mir keine Sorgen wegen Gracie oder Livvy gemacht, Julia. Im Gegenteil, ich habe mir deinetwegen Sorgen gemacht, was du sagen, wie du reagieren würdest!«
»Allzu große Sorgen hast du dir aber offenbar nicht gemacht, sonst hättest du Gracie Livvy nicht mitgegeben.« Sie reißt die Kühlschranktür auf und stellt die Schüssel hinein. Dann knallt sie die Tür wieder zu, so dass das ganze Gerät wackelt.
Mark und Julia stehen in der Küche, die Luft zwischen ihnen ist wie elektrisch aufgeladen. Mark wird klar, dass sie an einem toten Punkt angelangt sind, dass sie über diesen Punkt vielleicht nie hinwegkommen, und diesen Gedanken erträgt er kaum.
Es ist keine Sache des Wollens – er kann einfach nicht mehr. Er setzt sich müde auf einen Stuhl, lässt erschöpft die Schultern hängen. Er fühlt sich völlig kraftlos, total ausgepumpt. »Was soll ich denn machen, Julia? Ich tu doch alles,
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