Jeden Abend, jeden Morgen - immer!
sparsam war, sondern weil er keine Gelegenheit hatte, Geld auszugeben.
Nein, er hatte einer Frau, die bislang im Überfluss gelebt hatte, nichts zu geben. Jake stieß sich von der Wand ab und ging nach unten, geradewegs ins Wohnzimmer, denn er wollte mit Carly im Reinen sein.
Sie hörte ihn kommen und unterbrach ihr Klavierspiel, drehte sich aber nicht um.
“Carly?”
“Was ist?”
“Ist mit dir alles okay?”
Jetzt fuhr sie auf dem Drehstuhl herum. “Selbstverständlich! Warum denn nicht?”
“Ich mein, nach dem, was vorhin mit uns passiert ist”, stotterte Jake. Ihre Augen glänzten so schön im schwindenden Tageslicht, und er wünschte, seine Lage wäre eine andere. Dass er freier wäre, andererseits wäre er Carly dann nie begegnet. Verdammt, diese Komplikationen machten ihn noch verrückt!
“Dachtest du, diese Geschichte würde mich umwerfen?”, fragte Carly kühl. “Wie sollte ich mich deiner Meinung nach fühlen, Jake? Und wieso kümmert dich das überhaupt? Oder hast du unter der Dusche Gewissensbisse entwickelt?”
Jake wurde dunkelrot. “Du weißt doch genau, was ich meine, oder? Das hätte nie passieren dürfen, das findest du doch bestimmt auch. Es ist einfach peinlich, für dich sicherlich, und für mich …”
“Stopp.” Carly hob abwehrend die Hand, um Banyons demütigende Rede nicht länger hören zu müssen. Worauf wollte er eigentlich hinaus? Aber sie würde ihm einiges klarmachen. “Es ist mir überhaupt nicht peinlich, dass ich Sex mit dir hatte”, sagte sie nüchtern. “Wenn du damit Probleme hast, dann behalte das bitte für dich.”
Jake war sekundenlang sprachlos. “Ich … ich dachte … Aber da habe ich wahrscheinlich etwas falsch verstanden.”
“Wahrscheinlich”, gab sie knapp zurück.
“Also, mir ist es gar nicht peinlich, ich finde nur …”, er räusperte sich, “… Stuart sollte besser nichts davon erfahren.”
Sein sichtliches Unbehagen tat ihr gut, und sie lachte leise. “Wo lebst du denn, Banyon? Das Aufklärungsgespräch mit meinem Vater liegt Jahre zurück, und er interessiert sich für mein Liebesleben ebenso wenig wie ich mich für seins. Also geh essen und vergiss das Ganze. Ich jedenfalls ordne die Sache unter ‘Papierkorb’ ein, das solltest du auch tun.”
Jake fühlte sich, als hätte ihm jemand die Luft abgeschnürt. Carly hatte alles schon abgetan? In den emotionalen Mülleimer entsorgt? Was für ein Mensch war sie denn? Trieb sie es mit jedem Kerl, der ihr über den Weg lief? Natürlich nur, falls es ihr gerade passte?
“Ja, das werde ich”, sagte er missmutig. “Kein Problem.”
Ganz so unproblematisch sah sie das leider nicht. Warum musst du so verdammt sexy sein, Banyon, dachte Carly. Warum gehst du nicht endlich? Geh und lass mich allein!
“Du könntest mit in die Kantine kommen”, meinte Jake gelassen, obwohl es ihm höllisch schwerfiel. “Du musst etwas essen.”
“Danke, ich habe keinen Hunger. Geh nur. Die anderen fragen sich bestimmt schon, wo du bleibst, und wir wollen doch kein Gerede, nicht wahr?”
“Okay. Bis später.” Mit einem flauen Gefühl im Magen ging Jake hinaus.
Carly blieb auf dem Klavierhocker sitzen und versuchte, Klarheit in ihre Gefühle zu bringen. Schließlich stand sie seufzend auf und ging in die Küche, um sich eine Dose Suppe aufzumachen. Offensichtlich konnte sie Männer noch immer nicht beurteilen. Wieder war sie auf den Falschen hereingefallen und hatte sich nichts als Kummer eingehandelt.
Aber musste sie wegen Banyon überhaupt leiden? Seine einzige Sorge war, dass ihr Vater nicht erfuhr, wie sein Verwalter – der Schuft! – seine kleine Tochter verführt hatte. Aber sie war längst nicht mehr ‘klein’, und sie war regelrecht verrückt nach Sex mit Banyon gewesen. Das konnte sie ohne Scham zugeben.
Wäre es nicht köstlich, wenn sie ihn noch einmal dazu bringen könnte – trotz seiner Vorbehalte, trotz seiner jetzigen Verlegenheit?
Sie lachte leise, dann stiegen ihr Tränen in die Augen. Jake Banyon brachte sie wirklich gründlich durcheinander.
Jake wanderte nach dem Abendessen eine Stunde lang umher, in der Hoffnung, dass Carly in ihrem Zimmer war, wenn er ins Haus zurückkehrte. Während dieser Wanderschaft gewann er eine beunruhigende Erkenntnis: Heute hatte sich eine unabwendbare Katastrophe ereignet, und er hatte sie ausgelöst. Verflixt, warum hatte er sein neu erwachtes Begehren nicht mit irgendeiner anderen Frau stillen können? Warum zielten alle seine
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