Jeier, Thomas
Kriegsverbrechen, denn nichts anderes war das sinnlose Abschlachten von wehrlosen Frauen und Kindern, wurde durch den Machthunger von Politikern und ihre Allianz mit hemmungslosen, auf größtmöglichen Profit ausgerichteten Handelsgesellschaften begünstigt. Die Sensationspresse machte sich zum tendenziösen Sprachrohr bestimmter politischer Strömungen und wirtschaftlicher Gruppen und schreckte nicht davor zurück, die öffentliche Meinung mit skandalösen Falschmeldungen und einer von sensationshungrigen Schlagzeilen bestimmten Berichterstattung zu beeinflussen.
Die Verknüpfung privater, politischer und wirtschaftlicher Interessen ebnete den Militärs und anderen Interessengruppen den Weg in Ausschüssen und vor dem Kongress und erlaubte es ihnen, gelungene Aktionen zu glorifizieren und unliebsame Fakten zu verdrehen oder ganz zu verschweigen. Die Armee war auf finanzielle Zuwendungen großer Unternehmen angewiesen, finanzierte ihre Expeditionen und Kriegszüge häufig mit »Sponsorengeldern« und verpflichtete sich im Gegenzug, ihre Partner bei der Durchsetzung kommerzieller Interessen zu unterstützen. Ein Kriegszug pervertierte zum Kreuzzug im Zeichen von Mammon und Macht. Nicht allein militärische Notwendigkeit, sondern vor allem die kommerziellen Motive einiger Personen und Gruppen bestimmten das Vorgehen der US-Armee.
Wirtschaftliche Interessen in den Black Hills
Exemplarisch für solche Unternehmungen waren die Expeditionen der Armee zum Yellowstone River und in die Black Hills von South Dakota. »Solange Gras wächst und Wasser fließt« war das Land um die heiligen Schwarzen Berge den Sioux im Vertrag von Fort Laramie (1868) zugesprochen worden. Die Berge waren Teil ihres Gebietes, das sie niemals verkaufen und aufgeben würden. Die Black Hills waren »wakan«, das Zentrum ihres Universums, das heilige Land, in dem schon ihre Vorfahren zu »Wakan tanka«, dem Großen Geist, gebetet hatten. Doch die Northern Pacific Railroad Company spekulierte schon seit einigen Jahren auf eine Trasse durch die Jagdgründe der Sioux, um nach der transkontinentalen Route von Union und Central Pacific Railroad eine neue Verbindung zum Pazifik herzustellen und damit den lukrativen Handel mit dem Osten Amerikas zu befördern.
Um dieses Ziel zu erreichen, bediente sich die Eisenbahngesellschaft der skrupellosen Machenschaften eines mächtigen Spekulanten, der durch den Handel mit Kriegsanleihen, während des amerikanischen Bürgerkriegs, zu einem der reichsten Männer Amerikas geworden war. Jay Cooke stammte aus Ohio, arbeitete bereits als junger Mann in der Chefetage einer großen Bank und gründete am 1. Januar 1861, wenige Monate vor Ausbruch des Bürgerkriegs, sein eigenes Unternehmen in Philadelphia: Jay Cooke & Company. Nach dem Krieg investierte er in die Entwicklung des amerikanischen Nordwestens, besonders in Duluth, Minnesota, einer kleinen Handelsstadt am westlichen Ufer des Lake Superior. Von dort, so die Planung der Northern Pacific Railroad Company, sollte die transkontinentale Strecke nach Seattle in Washington starten. 1869 übernahm Jay Cooke die Finanzierung des Unternehmens, und schon ein Jahr später, am 4. Juli 1870, begann die Northern Pacific mit dem Streckenbau.
Beim Bau der amerikanischen Eisenbahn wurde besonders deutlich, mit welcher Rücksichtslosigkeit und Menschenverachtung die schwerreichen Unternehmer der Pionierzeit ihre Ziele verfolgten. Der »Raubtierkapitalismus« zeigte zum ersten Mal sein hässliches Gesicht. Investoren wie John D. Rockefeller und Cornelius Vanderbilt schreckten vor Enteignung und Ausbeutung nicht zurück, tricksten bei Aktienverkäufen und gingen ähnlich skrupellos vor wie Generäle, die ihre Armeen als Kanonenfutter in den Krieg schicken. Jay Cooke war ein typischer Vertreter dieser Art von Unternehmer. Obwohl er sich bei den Siedlern als überzeugter Christ und Philanthrop einen Namen gemacht hatte, war er als Geschäftsmann ausschließlich profitorientiert, auch wenn er dadurch einen der erbittertsten Kriege der amerikanischen Geschichte auslöste und damit auch die Verantwortung für den Untergang der Sioux und Cheyenne mittragen musste.
Unterstützt wurde er bei dem Unternehmen, das den Bau der Strecke unter dem Druck zahlreicher Investoren möglichst schnell vorantreiben wollte, von der amerikanischen Armee. Schon bei den ersten Verhandlungen mit Philip H. Sheridan, dem Oberbefehlshaber der Division of the Missouri, wurde deutlich, dass Cooke beim Militär
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