Jenny heftig in Noeten
hätte.
Ich traute meinen Augen nicht. Da gingen sich diese beiden Menschen, die ich immer für relativ reife junge Frauen gehalten hatte – und die ich für ihren scharfen Intellekt und ihre Unabhängigkeit bewundert und respektiert hatte –, praktisch gegenseitig an die Kehle. Und zwar ausgerechnet wegen eines JUNGEN!
»Hey!« Ich rannte ihnen hinterher auf den Parkplatz hinaus. »Hey, vergesst nicht, dass ihr versprochen habt…«
Aber ich kam nicht mehr dazu, sie daran zu erinnern, dass sie versprochen hatten, Lukes Geheimnis zu wahren. Als ich sie eingeholt hatte, standen sie vor einer Traube von Menschen, die sich um Luke und den Wagen gebildet hatte, den er gerade noch gewaschen hatte.
Nur wusch er ihn jetzt nicht mehr, sondern stand oben auf dem Autodach und redete hektisch in sein Handy, während er gleichzeitig versuchte, sich der etwa 57 Troubadoure, Chi-Chi-Kellnerinnen, Hausfrauen, die zufällig auf dem Weg zum Einkaufen angehalten hatten, und Pick-up-Fahrer (ja, auch von denen waren welche dabei) zu erwehren, die alle die Arme nach ihm ausstreckten und »Luke! Luke! LUKE!« brüllten.
»Ihr Idioten!«, schrie ich Trina und Geri an, während Luke Hände wegstieß, die nach ihm griffen. »Was habt ihr getan?«
»Das waren wir nicht«, sagte Geri achselzuckend. »Als wir rauskamen, war es schon passiert.«
»Anscheinend bin ich nicht die Einzige in Clayton, die Luke Strikers Angelique-Tattoo kennt«, sagte Trina düster.
Geri stampfte mit dem Fuß auf. »Und wie soll ich ihn jetzt bitte fragen, ob er mit mir auf den Ball geht? Ich komme ja gar nicht an ihn ran!«
Als gäbe es keine schlimmeren Probleme! Der arme Luke drohte von der Meute zerrissen zu werden, und seine eingefleischtesten Fans hatten nur eine Sorge: Wie sie ihn fragen sollten, ob er zum Frühlingsball mitkäme!
Ich sah zu Luke hinauf. Er wirkte nicht verängstigt (wie es mir an seiner Stelle gegangen wäre), sondern steckte das Handy wieder ein und versuchte, vernünftig auf die kreischenden Frauen um ihn herum einzureden.
»Immer mit der Ruhe«, sagte er. »Ihr kriegt alle ein Autogramm – versprochen. Aber eine nach der anderen, okay?«
Niemand hörte zu. Von allen Seiten wurden ihm Kulis und Speisekarten zum Unterschreiben hingestreckt.Am schlimmsten waren die Sopranistinnen. Karen Sue Walters, die anscheinend nichts Beschreibbares aus Papier dabeihatte, deutete hysterisch auf ihr Dekolletee und wollte, dass Luke darauf unterschrieb.
Aber die Altstimmen waren auch nicht viel besser. Die gelangweilte Liz – die gar nicht mehr so gelangweilt schaute – kletterte sogar auf die Motorhaube und schlang beide Arme um Lukes Beine. Er hätte fast das Gleichgewicht verloren und wäre hingefallen, aber das kümmerte Liz nicht. Sie presste sich schluchzend an ihn. »Luke! Oh, Luke! Ich liebe dich!«
Es war erbärmlich. Ich gebe zu, dass ich mich zutiefst für meine Geschlechtsgenossinnen schämte.
Allerdings waren es nicht bloß die Frauen. Unter der kreischenden Menge befanden sich auch Männer. Ich hörte einen Typen mit John-Deere-Baseballmütze zu seinem Kumpel sagen: »Ich besorg mir ein Autogramm und verkauf es bei eBay!«
Und Mr Hall? Mr Hall – der immerhin Lehrer war und es besser wissen sollte? Der war der Schlimmste von allen. »Mr Striker!«, japste er. »Mr Striker! Hätten Sie vielleicht Zeit, ein Drehbuch zu lesen, das ich geschrieben habe? Es ist eine Tragikomödie über das Erwachsenwerden eines jungen Mannes, der im Chor eines großen Broadway-Musicals singt. Das wäre die perfekte Rolle für Sie.«
Nur wenige Leute auf dem Parkplatz hielten sich zurück. Einer von ihnen war Scott. Er lehnte an seinem Wagen und sah dem Spektakel einfach nur zu – ein Fels geistiger Gesundheit in einer Brandung von komplett Durchgeknallten.
Ich stürzte auf ihn zu. Dass Geri Lynn mit ihm Schluss gemacht hatte, war mir völlig entfallen. Ich hatte nur einen Gedanken: Wenn nicht bald jemand eingriff, würde Luke in Stücke gerissen, genau wie Mel Gibson in »Braveheart«, nur eben von seinen eigenen Fans und nicht von den Engländern.
»Meinst du nicht, wir sollten die Polizei rufen?«, fragte ich besorgt. »Ich will meine Freunde zwar nicht bei der Polizei verpfeifen, aber…«
Aber die Alternative war, Luke selbst zu helfen – und ich hätte nicht gewusst, wie. Die Leute standen in Zehnerreihen um sein Auto herum. Da war kein Durchkommen…
»Keine Angst.« Scott lächelte. »Schon erledigt.«
Ich sah ihn verwirrt an.
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