Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
der Schublade zu holen, und ließ dabei einen erleichterten kleinen Seufzer hören. Wenn sie ein wenig Zeit für sich allein hatte, würde sie vielleicht herausfinden können, was an diesem Mann sie so durcheinander brachte. »Poker bei Feuerschein.« Mit den Karten ließ sie sich auf dem Boden nieder. »Also, wenn das nicht romantisch ist!«
Er setzte sich ihr gegenüber. »Wirklich?«
»Stell dich darauf ein zu verlieren.«
Aber Jacob gewann, eine Hand nach der anderen. Aus Mangel an Alternativen benutzten sie Kekse als Einsatz, und der Stapel an seiner Seite wuchs beständig.
Sunny betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Wenn du die alle isst, wirst du dick und fett und kugelrund.«
Jacob lächelte nicht mal. »Kaum. Ich verfüge über einen exzellenten Metabolismus.«
»Darauf gehe ich jede Wette ein.« Mit einer Figur wie seiner musste er darüber verfügen. »Zwei Paare, Königinnen und Vieren.«
»Hm.« Er legte seine Karten ab. »Full House, zehn bis fünf.«
»So ein …« Mit gerunzelter Stirn brach sie ab, während er die Kekse zu sich heranzog. »Ich will ja nicht wie ein schlechter Verlierer klingen, aber du hast zehn von zwölf Spielen gewonnen.«
»Muss wohl meine Glücksnacht sein.« Er nahm die Karten und mischte sie.
»Oder etwas anderes.«
Bei ihrem Ton hob er eine Augenbraue. »Poker ist eine Wissenschaft, wie Physik.«
Sie stibitzte sich einen Keks. »Misch einfach, Hornblower.«
»Willst du deinen Einsatz verspeisen?«
Angesäuert warf sie den Keks auf den Stock zurück. »Ich muss mehrere kleine Mahlzeiten am Tag zu mir nehmen, sonst werde ich unleidlich.«
»Liegt es wirklich nur daran?«
»Im Grunde bin ich eine sehr verträgliche Person.«
»Nein, bist du nicht.« Er grinste, während er die Karten austeilte. »Aber ich mag dich trotzdem.«
»Ich bin wirklich nett, jeder wird dir das bestätigen.« Sie verzog keine Miene, als sie zwei Asse aufnahm. »Außer meine beiden letzten Arbeitgeber vielleicht. Ich eröffne mit zwei.«
Jacob ging mit und legte noch mal zwei Kekse drauf. Er mochte Sunny, wenn sie so war wie jetzt – freundlich, aber auf der Hut, entspannt, aber jederzeit zum Sprung bereit. Dass das Kaminfeuer Schatten auf ihre feinen Gesichtszüge warf, tat seiner Sympathie auch keineswegs Abbruch. Jetzt war ein ebenso guter Zeitpunkt wie jeder andere, um mehr über sie herauszufinden.
»Was hast du gemacht, bevor du herkamst, um die Entscheidung zu treffen, Rechtsanwältin zu werden?«
Sie schnitt eine Grimasse, zog drei Karten. »Ich habe Unterwäsche verkauft. Damendessous, um genau zu sein.« Sie sah auf, erwartete Spott oder Verachtung und war besänftigt, als sie nichts dergleichen entdeckte. »Ich hab eine ganze Schublade voll mit wirklich irrem Zeugs, das ich zum ermäßigten Preis bekommen habe.«
»Aha.« Er fragte sich, was sie wohl unter »irrem Zeugs« verstehen mochte.
»Ja.« Entzückt stellte sie fest, dass sie noch ein weiteres As gezogen hatte. Was man ihrer Stimme aber nicht anhörte, als sie weitererzählte: »Das Problem war nur, dass man in dem Laden den Mund halten musste. Die Anweisung hieß: Mund halten, einpacken, abkassieren. Selbst wenn die Kundin einen ganz augenscheinlichen Fehler beging.«
Dass sie den Mund nicht hatte halten können, war ihm klar. »Welchen Fehler?«
»Nun, wenn eine wohlbeleibte ältere Dame versucht, sich in Größe 38 hineinzuzwängen, um die ‚Lustige Witwe‘ zu spielen. Ich setze drei.«
»Ich erhöhe um zwei. Was ist passiert?«
»Tja, da macht man ganz vorsichtig eine Anmerkung, sozusagen einen Verbesserungsvorschlag, und schon setzten sie einen an die frische Luft.«
Er sah verwirrt drein. »Warum denn das? War die Luft so schlecht in dem Laden?«
Sunny kicherte vergnügt und legte noch zwei Kekse drauf. »Damit meine ich, sie haben mich vor die Tür gesetzt.« Da er immer noch nicht verstanden zu haben schien, erklärte sie: »Ich bin gekündigt worden. Meine Dienste wurden nicht mehr benötigt.«
»Oh, sie haben dich rausgeworfen.«
»Genau.« Sie strahlte. »Drei Asse, Kumpel. Sieh sie dir ganz genau an, dann kannst du in Tränen ausbrechen!«
»Straight Flush«, hielt er dagegen, und sie schnappte nach Luft, während er die Kekse einheimste. »Du bist nicht dafür geschaffen, für andere zu arbeiten.«
»Das hat man mir schon öfter gesagt«, murmelte sie. Sie hatte nur noch fünf Kekse. Ihre Pechsträhne dauerte schon viel zu lange an. »Aber entweder lernt man sich anzupassen
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