Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
drückte seine Finger. »Mit dem Gesetz oder sonst irgendwie.«
Ihre Augen waren groß und voller Sorge um ihn. Er war noch nie ergriffener gewesen. »Wie kommst du darauf?«
»Wie du hier aufgetaucht bist. Warum du nicht schon früher gekommen bist. Und du benimmst dich oft … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Als ob du dich völlig fehl am Platze fühlst.«
»Kann schon sein.« Wäre es nicht so ernst, er hätte gelächelt. Und wenn er hätte sicher sein können, dass er es hinterher nicht bereuen würde, hätte er sie jetzt in seine Arme gezogen und sie einfach nur gehalten. »Nein, ich stecke nicht in Schwierigkeiten, Sunny. Zumindest nicht in der Art, wie du es meinst.«
»Und du warst auch nicht …«, sie suchte nach dem diskretesten Weg, das Thema anzuschneiden, »längere Zeit krank?«
»Krank?« Verdattert schaute er sie an. Langsam dämmerte es ihm. »Du glaubst, ich sei …« Jetzt musste er doch lächeln und überraschte sie beide damit, dass er ihre verschränkten Hände an seinen Mund zog und ihre Fingerspitzen küsste. Sie ließ es überrascht geschehen. »Nein, ich war nicht krank, weder physisch noch anders. Ich war einfach nur beschäftigt.« Als Sunny ihm ihre Hand entziehen wollte, hielt er sie fest. »Hast du Angst vor mir?«
Stolz war immer eine ihre hervorstechendsten Charaktereigenschaften gewesen. »Warum sollte ich?«
»Gute Frage. Aber du hast dich gefragt, ob ich nicht vielleicht … instabil und unberechenbar bin, nicht wahr? Trotzdem hast du mich aufgenommen. Du hast mich sogar verpflegt.«
Die ungewohnte Zärtlichkeit in seiner Stimme ließ sie aufhorchen. Mit einem Mal fühlte sie sich unwohl. »Das hätte ich auch für jeden herrenlosen Hund getan. Das ist nichts Besonderes.«
»Ich halte das schon für etwas Besonderes.« Als sie sich vom Tisch abstieß, stand er mit ihr auf. »Sunbeam …«
»Ich sagte doch, du sollst mich nicht …«
»Manchmal kann ich einfach nicht widerstehen. Danke.«
Jetzt fühlte sie sich mehr als nur unwohl. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. »Ist schon okay. Vergiss es einfach.«
»Das kann ich nicht.« Mit dem Daumen streichelte er über ihren Handrücken. »Sag, wenn ich in Schwierigkeiten steckte, würdest du mir dann auch helfen?«
Sie warf den Kopf zurück. »Weiß ich nicht. Kommt darauf an.«
»Ich denke, du würdest mir helfen.« Jacob nahm ihre beiden Hände und hielt sie fest, bis ihre Finger nicht mehr zitterten. »Hilfsbereitschaft und Güte sind für jemanden, der weit von zu Hause weg ist, sehr, sehr wertvoll und auch sehr selten. Ich werde dir das nicht vergessen.«
Sie wollte sich ihm nicht nahe fühlen. Sich nicht zu ihm hingezogen fühlen. Aber wenn er sie so anschaute, mit dieser stillen Zärtlichkeit, dann wurde sie schwach. Und es gab nichts Beängstigenderes als Schwäche.
»Gut.« Sie kämpfte gegen die aufwallende Panik an und zog ihre Hände zurück. »Dann kannst du dich ja bei mir revanchieren, indem du das Geschirr abwäschst. Ich gehe inzwischen spazieren.«
»Ich komme mit dir.«
»Ich will nicht …«, begann sie.
»Du hast gesagt, du hast keine Angst vor mir.«
»Habe ich auch nicht.« Sie seufzte. »Also schön, komm mit.«
Sobald Sunny die Tür öffnete, raubte die Kälte ihr den Atem. Der Wind hatte sich gelegt, und die Sonne versuchte, sich durch die dichten Wolkenschichten zu kämpfen, aber die Luft war immer noch schneidend kalt.
Durch die Kälte werde ich wieder einen klaren Kopf bekommen, sagte sie sich. Vorhin, in der Küche, während er sie so angeschaut hatte, da war sie sich einen Moment lang vorgekommen, als ob … Sie hatte keine Ahnung, was sie in diesem Moment gefühlt hatte. Sie wollte es gar nicht wissen.
Es tat gut, hier draußen laufen zu können, auch wenn der Schnee ihr bis an die Knie reichte. Noch eine Stunde länger in der Hütte eingesperrt, und sie wäre verrückt geworden. Vielleicht war es ja das, was ihr passiert war – für einen Moment da drinnen mit ihm zusammen war sie wirklich dem Wahnsinn erlegen.
»Ist das nicht umwerfend?« Sie standen auf einer endlosen, weiß glitzernden Fläche, die im Sommer noch ein Garten gewesen war. Der abflauende Wind seufzte durch die Bäume und blies weißen Puder von den Ästen, der lautlos zu Boden fiel. »Im Winter gefällt es mir immer am besten hier. Denn wenn man schon die Abgeschiedenheit sucht, dann sollte man auch wirklich völlig allein sein. Oh, ich habe das Vogelfutter vergessen. Warte einen
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