Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
Moment.«
Sunny drehte sich um und stapfte durch den Schnee zum Haus zurück. Jacob sah ihr nach und dachte, dass sie sich jetzt eher wie eine Tänzerin und nicht wie eine Athletin bewegte. Graziös, trotz der widrigen Verhältnisse. Es beunruhigte ihn, als ihm klar wurde, dass er zufrieden damit wäre, ihr stundenlang zuzuschauen. Minuten später war sie zurück und schleifte einen Jutesack hinter sich her.
»Was hast du vor?«
»Ich füttere die Vögel. Im Winter können sie immer alle Hilfe gebrauchen, die sie bekommen können.«
Er schüttelte verwundert den Kopf. »Hier, lass mich das machen.«
»Ich bin ziemlich kräftig.«
»Das weiß ich. Lass es mich trotzdem machen.«
Jacob nahm ihr den Sack ab, hievte ihn einen Meter weiter, setzte ihn ab, machte einen Schritt vor, hievte den Sack noch einen Meter weiter. Mit jedem Absetzen sammelte sich mehr Schnee an der Jute und machte den Sack immer schwerer.
»Ich dachte, du seist kein Naturkind«, bemerkte er.
»Das heißt doch nicht, dass ich die armen Vögel verhungern lassen muss.« Außerdem hatte sie es Libby versprochen.
Noch einen Meter. »Könntest du den Sack nicht einfach auskippen?«
»Wenn man eine gute Tat vollbringen will, dann …«
»… sollte man es richtig machen. Ja, den Spruch kenne ich auch.«
Sunny hielt bei einem großen Vogelhaus aus Glas und Holz an. Sie stellte sich auf einen Baumstumpf und begann das Vogelfutter aufzufüllen. »Na also.« Sie wischte sich die Krümel von den Händen. »Soll ich den Sack jetzt zurückschleppen?«
»Das mach ich schon. Aber … wie ein Vogel, der etwas auf sich hält, sich hier mitten im Winter aufhalten kann, ist mir völlig unverständlich.«
»Wir sind doch auch hier«, rief sie ihm zu, während er den Sack über den Schnee schleifte.
»Das ist mir, ehrlich gesagt, auch unverständlich.«
Sie grinste ihm zu. Und da sie einer so offensichtlichen Versuchung nur schwer widerstehen konnte, begann sie, mit Schneebällen zu werfen. Der erste traf Jacob an der Stirn.
»Ha, mitten ins Schwarze!«
Er wischte sich den Schnee aus den Augen. »Du hast schon ein Spiel mit mir verloren.«
»Das war doch Poker.« Sie formte einen neuen Schneeball und wog ihn abschätzend in der Hand. »Das hier ist Krieg. Im Krieg braucht man Geschicklichkeit und Können, kein Glück.«
Jacob duckte sich unter dem nächsten Ball weg, fluchte, als er fast das Gleichgewicht verloren hätte – und wurde vom nächsten Schneeball mit Wucht auf die Brust getroffen.
»Ich hätte dir vielleicht sagen sollen, dass ich die beste Werferin in unserem Softball-Team an der Schule war. Meinen Rekord hat bis heute keiner gebrochen.«
Der nächste Ball traf ihn an der Schulter. Aber dieses Mal war er vorbereitet. Mit einer geschmeidigen Bewegung, die ihr echte Bewunderung abverlangte, warf er einen Ball und traf sie kräftig an ihrem Hinterteil. Er hatte auch ein wenig Übung, aber er verzichtete darauf zu erwähnen, dass er drei Jahre in Folge Kapitän der intergalaktischen Softball-Mannschaft gewesen war.
»Nicht schlecht, Hornblower.« Sunny schleuderte zwei Bälle direkt hintereinander und erwischte Jacob mit dem zweiten. Sie schnitt die Bälle wirklich böse an, sodass sie sich während des Fluges drehten, und befriedigt stellte sie fest, dass sie diesen Trick noch nicht verlernt hatte. Der Schnee zerstob auf seinem Parka, und ein Ball fegte ihm die Wollmütze vom Kopf.
Mittlerweile stand es zehn zu zwei für sie, und sie wurde übermütig. Ihr war noch gar nicht aufgefallen, dass er langsam immer näher gekommen war. Als er einen Schneeball voll ins Gesicht abbekam, hielt sie sich vor Lachen den Bauch. Und dann kreischte sie auf, als er sie unter den Achseln packte und hochhob.
»Zielen kannst du gut, aber du hast keinerlei Strategie«, merkte er noch an, bevor er sie mit dem Gesicht zuerst in den Schnee drückte.
Prustend rollte sie sich auf den Rücken. »Ich hab trotzdem gewonnen.«
»Nun, von meiner Warte aus sieht das aber ganz anders aus.«
Mit einem nachgiebigen Schulterzucken streckte sie die Hand aus. Er zögerte. Sie lächelte. In dem Moment, als er ihre Hand ergriff, um sie hochzuziehen, fand er sich auch schon flach auf dem Rücken in einer Schneewehe neben ihr wieder.
»Und wie sieht es jetzt für dich aus?«
»Gleichstand.«
Jacob packte sie bei den Schultern, und ihr gemeinsames Gewicht drückte sie beide nur noch tiefer in den Schnee, der sich kalt und nass einen Weg in den Kragen der geliehenen
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