Jenseits Der Unschuld
schien unter dem exotischen Gewand nackt zu sein. Das Blut pochte ihr in den Schläfen.
»Jake«, flüsterte sie hastig. »Bitte lass mich ins Haus.«
»Wie kommt es, dass ich mich nicht wundere, dich vor meiner Tür stehen zu sehen?« fragte er ungerührt.
Suzanne erschrak. Er schien getrunken zu haben. Sie bemerkte einen Hauch französischen Cognac in seinem Atem, als sie an ihm vorbei in die Halle rauschte. Im leicht angetrunkenen Zustand war Jake stets am besten im Bett gewesen, schoss es ihr durch den Kopf.
Doch deshalb war sie nicht gekommen, jedenfalls nicht ausschließlich deshalb. Sie war gekommen, weil sie seinen Rat brauchte.
Die Empfangshalle war noch prunkvoller, als die Fassade des Hauses erwarten ließ; sie hatte die Ausmaße eines Theaterfoyers. Über den hohen, mit prachtvollem Stuck und Malereien verzierten Wänden wölbte sich eine Glaskuppel durch die das Sonnenlicht in gleißenden Bündeln fiel.
Von der Halle führten vier Torbogen zu angrenzenden Räumen und Korridoren. Die Bogen waren verkleidet mit schwarz und golden gesprenkeltem Marmor, der Boden bestand aus weißem Marmor mit schwarzen geometrischen Einlegearbeiten.
Suzanne war tief beeindruckt. »Ich habe mich immer gefragt, wie du zu einem so großen Vermögen gekommen bist, dass du dir diesen Palast bauen konntest. «
Jake stand mit verschränkten Armen vor. ihr und beobachtete sie.
Ein Beben durchrieselte sie. In Jakes lauerndem Blick las sie Begehren. Ihre Unruhe wuchs.
»Wie gesagt«, antwortete er. »Ich arbeite im Bauwesen.«
Sie zog eine Braue hoch. »Kaum zu glauben.«
»Und ich bin Schiffseigner.« Er zog einen Mundwinkel hoch.
»Ich frage lieber nicht, welche Fracht auf deinen Schiffen befördert wird. «
»Dann tu es nicht.«
Sie befeuchtete sich die Lippen. »Wo ist dein Personal, Jake?«
»Ich habe nur eine Haushälterin und einen Kammerdiener. Sie sind irgendwo im Haus beschäftigt.«
»Du brauchst eine Ehefrau«, stellte Suzanne fest und bereute ihre voreilige Bemerkung, hatte sie ihn doch in all ihren Briefen gebeten, sie als seine Ehefrau wiederaufzunehmen. Briefe, die er nie beantwortet hatte.
Doch Jake versagte sich eine spöttische Bemerkung. Er maß sie mit einem seltsam verdunkelten Blick. »Warum bist du gekommen?«
Suzannes Blick fiel auf seine nackten, sehnigen Beine, die sichtbar wurden, wenn er sich bewegte und der Mantel sich bei jedem Schritt öffnete. Sie verdrängte ihre unerwünschten Gedanken. »Sofie hasst mich.«
»Das hast du mir bereits gestern gesagt.«
Tränen sprangen ihr in die Augen. »Jake, ich wollte zu ihr, und sie hat mir die Tür gewiesen.«
»Sie wird sich wieder beruhigen«, meinte Jake ungerührt.
Suzanne rang die Hände und fing an zu schluchzen. »N... nein! Das g... glaube ich nicht! Du verstehst mich nicht.
Ich bin ihre Mutter. Ich liebe sie. I... ich darf sie nicht verlieren. 0 Gott! Erst du ... und nun sie! « Der Schmerz zerriss ihr beinahe das Herz. Als sie damals vor so vielen Jahren erfahren hatte, dass Jake tot war, hatte sie ein ähnlicher Schmerz durchzuckt. Doch damals war sie jung und dumm gewesen, hatte nicht wirklich begriffen, was der Verlust eines geliebten Menschen bedeutete.
»Hör auf zu weinen!« befahl Jake. »Sofie liebt dich und wird sich beruhigen.«
Suzanne hörte auf zu schluchzen, doch die Tränen ließen sich nicht aufhalten. Sie suchte Jakes Blick, sah sein Mitleid, seine Betroffenheit. »Sie hasst mich. Aber ich ... ich wollte ihr doch nur noch mehr Leid ersparen.«
Jake stand reglos, dann trat er auf sie zu. Darauf hatte Suzanne sehnlichst gewartet, zwischen Schmerz und Freude hin- und hergerissen. Sie hatte gewusst, dass sie wieder zueinander finden würden. Seine Arme umfingen sie. »Hör auf zu weinen«, wiederholte er sanft und zog sie an seine starke Brust. »Bitte, Suzanne.«
Suzannes Tränen flossen nur noch heftiger. Sie weinte um Sofie, um Jake, den sie vor so langer Zeit verloren hatte; und sie weinte, weil sie ihn wiedergefunden hatte.
Jakes Hände streichelten ihren Rücken, sanft und beschwichtigend. Suzannes Puls beschleunigte sich. Hitze strömte in ihren Leib. Schwindelerregendes Verlangen packte sie.
Ihre Tränen versiegten, als sie sich an ihn schmiegte, die Arme um seine breiten Schultern schlang. Seine Hände lagen auf ihren Hüften. Sie presste sich enger an ihn, flüsterte seinen Namen. Seine Hände glitten abwärts. Ein Schauder durchfuhr sie, und dann drückte sie ihre tränennasse Wange an seinen Hals
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