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Jenseits der Untiefen

Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Favel Parrett
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Tür. Sie stieg aus und ließ die Tür offen, kalte Luft strömte herein. Miles rief ihr hinterher, aber sie war schon zwischen den Bäumen und hörte ihn nicht. Jedenfalls blieb sie nicht stehen. Sie lief hinein in die Dunkelheit und war kaum noch zu sehen, nur die weiße Rüsche ihres Rocks leuchtete, wenn sie sich bewegte.
    Miles öffnete die Beifahrertür. Er stieg aus und stand auf der Straße.
    »Mum?«, sagte er und sah zu den Bäumen hinüber.
    Jetzt konnte er sie überhaupt nicht mehr erkennen.
    Er ging ihr nach. Der Waldboden war mit Laub und knackenden Ästen bedeckt. Er berührte die rauen Stämme der Bäume. Hoch über ihm rauschte der Wind und ließ Blätter regnen. Sie fielen ihm ins Gesicht. Er ging weiter. Er ging hinein in den Wald, bis er sie sah, fast durchsichtig im Dunkel. Nur ein Umriss. Mum, wie sie an einem Baum lehnte und sich die Arme schützend um den Körper gelegt hatte. Sie weinte.
    Miles blieb still stehen, bis er sie kaum mehr sah, und dann fragte er leise, ob sie nach Hause fahren könnten.
    Ihre Stimme war schwach, aber er hörte sie. Ein Flüstern.
    »Einmal bin ich hier weggegangen. Aber ich bin zurückgekommen.«
    Miles ging näher an sie heran, tastete nach ihrer Hand.
    »Mein Liebling«, sagte sie.
    Er führte sie zwischen den Bäumen zurück zum Auto, und ihre Haut war wie Eis.
     
    Miles rollte sich auf die Seite und öffnete die Augen.
    Harry war da, er lag neben ihm auf dem Fußboden und schlief fest. Miles setzte sich auf. George war nicht mehr im Zimmer. Sein Bett war gemacht, sauber und ordentlich, aber vielleicht hatte er gar nicht darin gelegen, hatte nicht geschlafen. Miles erinnerte sich noch an seine dunkle Silhouette im Sessel. Aber dann hatte er die Augen zugemacht und wie ein Stein geschlafen. Er konnte nicht sagen, wie die Nacht vorbeigegangen war oder wie lange er geschlafen hatte. Er erinnerte sich nur noch an die Wärme des Hundes an seinem Rücken und dann an nichts mehr.
    Das lag wahrscheinlich an seinem Kopf.
    Er berührte den Schnitt mit den Fingern, fuhr über den Butterfly-Clip. Die Schwellung ringsum war knochenhart, aber er konnte das Auge normal öffnen. Sein Auge funktionierte. Er sah, dass das Licht, das durchs Fenster fiel, spätes Morgenlicht war. Sie hatten lange geschlafen.
    Er glitt unter dem Schlafsack hervor und stand auf. Die Luft war immer noch warm im Raum, gewärmt vom Holzofen, aber der Himmel, den er durchs Fenster sah, war klar und kalt. Er zog seinen Pullover an und öffnete die Tür.
    Auch draußen war George nicht; und den Hund konnte er ebenfalls nirgendwo sehen. Barfuß ging er zur Außentoilette, die hinter dem Paddock war. Die Erde war kalt und feucht wie immer, aber wenigstens war der Boden nicht schlammig.
    Er klopfte an die Toilettentür, für den Fall, dass George drin war, aber es kam keine Antwort.
    Als Miles zurück in die Hütte kam, saß Harry am Tisch und aß eine Scheibe Brot mit Butter.
    »Dein Auge sieht schlimm aus«, sagte er und schob Miles einen Teller mit Brot zu.
    Miles setzte sich hin. Das Brot sah gut aus, dick und dunkel, selbstgebacken. Aber Miles rührte es nicht an.
    »Das gehört uns nicht«, sagte er. Harry starrte ihn nur an und aß weiter.
    Miles sah sich die Sachen an, die auf dem Tisch standen. Brot, ein Glas Honig, Butter auf einem kleinen Teller.
    »Hast du dir die Butter aus der Kühlbox genommen?«
    Harry schüttelte den Kopf. Er stand auf und ging hinaus. Er kam mit der Milch zurück, aber es war nicht die Flasche von letzter Nacht. Es war eine volle Flasche. Er goss sich ein Glas ein.
    Miles überlegte, wohin George seine Milch geliefert bekam. In der Nähe seines Grundstücks hatte er nie eine Kühlbox an der Straße gesehen, und es gab keine Einfahrt. Er fragte sich auch, woher George die anderen Lebensmittel hatte. Vielleicht bekam er sie aus Dover geliefert. Miles wünschte sich, Dad würde das auch so machen, damit sie immer wussten, wann sie das nächste Mal Esswaren bekamen und wie lange sie mit dem Vorhandenen auskommen mussten.
    Harry trank seine Milch aus, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, und Miles konnte der Versuchung nicht länger widerstehen. Das Brot und die Butter dufteten.
    Er nahm eine Scheibe in die Hand und biss ab.
    Dann stand er auf und rollte die Schlafstätte zusammen. Er legte Matte, Kissen und Schlafsack in den Schrank zurück. Harry half ihm nicht. Er sah ihm vom Tisch aus zu.
    »Wir sollten mal los«, sagte Miles, aber Harry blieb, wo er war. Er

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