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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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er auftauchte, da wußte ich, er war nicht da, wie er früher da war. Aber vielleicht spielt das keine Rolle.«
    Grillo hörte zu, weil er Ellens Gedankengang nicht unterbre-chen wollte. Er hatte in jüngster Zeit so vieles gesehen, was ihn in Verwirrung stürzte - Wunder und Geheimnisse -, und im Bemühen, bei allem Zeuge zu sein, hatte er sich selbst auf Distanz gehalten. Paradoxerweise machte es gerade das zum Problem, die Geschichte zu erzählen. Und es war auch nur sein Problem. Er war der ewige Beobachter, hielt Gefühle auf Distanz, weil er Angst hatte, sie könnten ihn zu sehr berühren und dadurch sein sauer erkämpftes Desinteresse zunichte machen. Hatten die Dinge, die in diesem Bett stattgefunden hatten, deshalb so eine Macht über seine Fantasie? Am Akt selbst nicht beteiligt zu sein; zur Funktion der Begierde von jemand anderem zu werden, der Leidenschaft und Absicht von jemand anderem? War er darauf neidischer als auf die
    fünfundzwanzig Zentimeter von Buddy Vance?
    »Er war ein großartiger Liebhaber, Grillo«, sagte Ellen. »Besonders dann, wenn er verbrennt, weil jemand anders dort ist, wo er gerne sein möchte. Rochelle hat dieses Spiel nicht gerne 650
    gespielt.«
    »Hat den Witz nicht begriffen«, sagte Vance, der immer noch ansah, was Grillo nicht sehen konnte. »Sie hat nie...«
    »Mein Gott!« sagte Grillo, dem plötzlich etwas klar wurde.
    »Er war hier, nicht? Er war hier, als wir beide...« Die Vorstellung machte ihn sprachlos. Er brachte nur noch heraus: »... vor der Tür.«
    »Damals wußte ich das noch nicht«, sagte Ellen leise. »Ich hatte es nicht so geplant.«
    »Herrgott!« sagte Grillo. »Alles war eine Vorstellung für ihn. Du hast mich zur Schau gestellt. Du hast mich zur Schau gestellt, damit dein Fantasiegebilde in Wallung kommt.«
    »Vielleicht... hatte ich einen Verdacht«, gab sie zu. »Warum bist du so wütend?«
    »Liegt das nicht auf der Hand?«
    »Nein«, sagte sie in durch und durch vernünftigem Tonfall.
    »Du liebst mich nicht. Du kennst mich nicht einmal, sonst wärst du nicht so schockiert. Du hast nur etwas von mir gewollt, und das hast du bekommen.«
    Ihre Darstellung war akkurat; und sie tat weh. Sie machte Grillo böse.
    »Du weißt, daß dieses Ding nicht ewig hierbleibt«, sagte er und deutete mit dem Daumen auf Ellens Gefangenen; oder genauer, auf den Knüppel.
    »Ich weiß«, sagte sie, und ihre Stimme verriet, daß sie darüber ein wenig traurig war. »Aber das bleibt keiner von uns, richtig? Nicht einmal du.«
    Grillo sah sie an; er wollte, daß sie sich zu ihm umdrehte und seinen Schmerz sah. Aber sie hatte nur Augen für das Fantasiegespinst. Er gab auf und überbrachte die Botschaft, wegen der er hergekommen war.
    »Ich rate dir, den Grove zu verlassen«, sagte er. »Nimm Philip und geh.«
    »Warum?« sagte sie.
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    »Vertraue mir. Die Möglichkeit besteht, daß es den Grove morgen schon gar nicht mehr gibt.«
    Jetzt ließ sie sich herab, sich zu ihm umzudrehen.
    »Ich verstehe«, sagte sie. »Mach die Tür zu, wenn du gehst, ja?«

    »Grillo.« Tesla machte die Tür von Hotchkiss' Haus auf. »Du kennst vielleicht seltsame Leute.«
    Er hatte Hotchkiss nie als seltsam betrachtet. Ein Mann in Trauer, ja. Gelegentlich betrunken, aber wer war das nicht?
    Aber er war nicht auf das Ausmaß der Besessenheit des Mannes vorbereitet.
    Im hinteren Teil des Hauses befand sich ein Zimmer, das ausschließlich dem Grove und dem Boden, auf dem er erbaut worden war, gewidmet war. Geologische Karten hingen an den Wänden, zusammen mit im Lauf der Jahre aufgenommenen, sorgfältig datierten Fotos, die Risse in Straßen und Gehwegen zeigten. Daneben waren Zeitungsausschnitte gepinnt. Ihr einziges Thema: Erdbeben.
    Der Besessene selbst saß unrasiert inmitten seiner
    Informationen und hielt eine Tasse Kaffee in der Hand; sein Gesichtsausdruck war erschöpft, aber zufrieden.
    »Habe ich es nicht gesagt? Die wahre Geschichte liegt unter unseren Füßen. Dort war sie immer.«
    »Wollen Sie es machen?« fragte Grillo ihn.
    »Was? Hinunterklettern? Klar doch.« Er zuckte die Achseln.
    »Scheiß drauf. Es wird uns alle umbringen, aber scheiß drauf.
    Die Frage ist: Wollen Sie es machen?«
    »Nicht unbedingt«, sagte Grillo. »Aber ich habe ein brennendes Interesse daran. Ich will die ganze Geschichte.«
    »Hotchkiss hat Informationen, die du nicht kennst«, sagte Tesla.
    »Und die wären?«
    »Noch Kaffee?« wandte sich Hotchkiss an Witt. »Ich muß 652
    nüchtern

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