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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Linken die Tränen von ihrer Wange.
    Meine Mutter hat erfahren müssen, was der Krieg aus einem Menschen machen kann , erinnerte sich Grace an Jeremys Worte, damals, draußen am Polofeld, während in der Turnhalle von Sandhurst der Abschlussball in vollem Gange war. Der Mann, den sie vor dem Krieg geheiratet hatte, der ist auf der Krim geblieben. Zurück kam ein anderer . Erst jetzt, Jahre später, verstand sie wirklich, was er damit gemeint hatte, und ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie an Stephen dachte, der ebenfalls als Invalide, ebenfalls bitter und zynisch nach Hause zurückgekehrt war.
    »Wahrscheinlich erwähnt man solche Dinge nicht gegenübereiner jungen Dame, doch ich finde, Sie haben ein Recht, das zu wissen. Trotz allem habe ich Matthews Drängen nachgegeben, als er wieder zurück war.« Grace brauchte einen kurzen Augenblick, um zu begreifen, worauf Mrs Danvers anspielte, und senkte verlegen den Blick. »So ist Jeremy entstanden. Das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist.« Ein kleines Lächeln schien auf dem Gesicht von Mrs Danvers auf und verschwand sogleich wieder. »Wir haben damals auf dem Dorf gewohnt, auf dem Hof meiner Eltern und meines Bruders. Vielleicht können Sie sich das vorstellen: Ja, mein Mann galt als Held, aber trotzdem tut man als Invalide so etwas nicht. Man zeugt kein Kind, wenn man kriegsversehrt ist. Noch dazu so schwer.« Sie lachte trocken auf. »Nein, über diese Dinge, die hinter verschlossenen Türen geschehen, spricht man nicht. Aber natürlich weiß jeder sofort, was dem vorausgeht, wenn ein Kind unterwegs ist, und fällt darüber sein Urteil. Ich musste mir manches anhören, damals, und Jeremy später auch. Sie wissen ja, wie grausam Kinder sein können – und dass die Eltern oft nicht besser sind. Als wir hierher in die Stadt zogen, wurde es etwas leichter. Zumindest in dieser Hinsicht.«
    Sie schluckte, ihre Brauen zogen sich zusammen, und ihre ganze Miene spannte sich an. »Aber wie erklärt man einem kleinen Jungen, dass es nicht an ihm liegt, wenn sein Vater ihn ablehnt und ihn von sich stößt? Wie erklärt man ihm, dass er sich nicht zu bemühen braucht, um die Liebe des Vaters zu bekommen – weil dieser Vater einfach keine Liebe mehr hat? Wenn der Junge klug ist, begreift sein Verstand es vielleicht irgendwann. Doch sein Herz – sein Herz wird es nie verstehen und immer darunter leiden.«
    Für mich war es wahrscheinlich leichter, ich hab ihn ja nicht anders gekannt , hörte Grace Jeremys Stimme, aufgerauter als gewöhnlich, und neue Tränen liefen ihr über das Gesicht.
    »Ich habe es dennoch nicht fertiggebracht, mich von Matthew zu trennen, Grace.« Bittend, fast entschuldigend sah JeremysMutter sie an. »Wo hätte er auch hinsollen? In ein Heim? Zu seinem Bruder und dessen Frau, die mit dem Laden und den drei Kindern mehr als genug zu tun hatten? Jeremy war sechzehn, als sein Vater starb – das Herz, wissen Sie. Nach langer Krankheit, die ihn nicht gerade milder stimmte. Und so grausam das auch klingt, sosehr ich mich auch schäme, das zu sagen: Für uns alle drei war es sicher eine Erleichterung. Für Jeremy und mich auf jeden Fall.«
    »Das tut mir alles so leid«, flüsterte Grace und schloss Jeremys Mutter in die Arme. Es tat ihr im Herzen weh, die unterdrückten Schluchzer zu spüren, die Mrs Danvers’ Körper erschütterten; vor allem tat es ihr weh, da sie annahm, dass Mrs Danvers sich in all den Jahren kaum jemandem anvertraut hatte. Ebenso wenig wie Jeremy, vermutlich.
    »Ich habe so oft gedacht, dass ich mich schwer versündigt habe an meinem Sohn«, hörte Grace sie neben ihrem Ohr murmeln. »Unter anderen Umständen wäre bestimmt ein anderer Mensch aus ihm geworden. Und vielleicht hätte er dann auch nicht unbedingt in die Armee gewollt.«
    »Vielleicht«, erwiderte Grace ebenso leise. »Vielleicht aber auch nicht. Und ich selbst hätte ihn nicht anders haben wollen.«
    Mrs Danvers gab einen Laut von sich, der halb wie ein Schluchzen klang, halb wie ein Auflachen. Sie löste sich aus Grace’ Umarmung, zog ein Taschentuch hervor und putzte sich die Nase. »Ich fürchte, ich muss Ihnen gegenüber Abbitte leisten, Grace. Ich bin damals nach der Abschlussfeier mit einem Bild von Ihnen nach Hause gefahren, das Ihnen ganz offensichtlich nicht gerecht wird, und ich habe mir eine Zeit lang durchaus so meine Gedanken gemacht, ob Sie tatsächlich zu Jeremy passen würden.«
    Grace’ Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Das kann ich Ihnen

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