Jenseits von Feuerland: Roman
sich überhaupt gut verarbeiten. Die vom Chapac ergaben ein weißes Pulver, das süß schmeckte und den Zucker ersetzte, und die Wurzeln des Llareta konnte man wie Fleisch braten.
Keinen Mangel gab es überdies an jeder Art von Pilzen: Champignons, die auf dem Schafmist wuchsen, und kleine Schwämme, die auf der Rinde einer Buchenart quollen. Manchmal tauschte sie diese Pilze bei den Nachbarn gegen Kürbisse ein, entfernte bei diesen – so ein weiterer Rat von Maril – die Kerne, füllte das Innere mit Asche auf und legte sie auf glosendes Holz, um sie langsam zu braten. Süß und saftig schmeckte später das Fruchtfleisch, und auf gleiche Weise ließen sich auch Äpfel braten.
Was sie sich erst hier auf der Estancia angewöhnt hatten, war, regelmäßig Mate zu trinken, wobei sie, wenn ihnen der Mate ausging, auch die Blätter des Yerbastrauchs verwendeten. Zunächst wurde das Teekraut kalt angefeuchtet, dann mit kochendem Wasser aufgegossen und später der Tee mit einem Schilfrohr aus dem Topf gesaugt.
Sehr stolz machte sie, dass sie mehr Fleisch als früher aßen – ein Zeichen wachsenden Reichtums – und sich dank Marils Jagdkünsten nicht mehr nur auf Schaf- und dann und wann auf Rindfleisch beschränken mussten. Am reichhaltigsten, weil am fettesten, war Straußenfleisch, aber Maril jagte außerdem Hasen, den Coruror – einen Nager –, Gürtel- und Stinktiere, Rebhühner und Füchse, und in der Nähe der Kordilleren Hirschkühe und Pumas, die ein besonders saftiges Fleisch hatten.
Emilia hätte nie geglaubt, dass man ein Stinktier überhaupt essen könnte, aber nachdem sie Maril einmal dabei zugesehen hatte, hatte sie sich selbst an dessen Zubereitung versucht: Zunächst wurden die Haare angesengt, dann heiße Steine in die Eingeweide gelegt und schließlich das ganze Tier stundenlang in Asche gebraten. Das Fleisch, das man später davon abschneiden konnte, war tatsächlich saftig weich.
Vögel jagte Maril nicht – diese wurden bei den Tehuelche gar nicht gegessen –, doch er sammelte die Eier von Enten- und Möwenarten, wenn er einmal bis in die Nähe der Küste vordrang.
Am häufigsten wurde bei den Tehuelche Guanakofleisch aufgetischt, wobei die Fettstücke hinter den Augenhöhlen als besondere Delikatesse galten. Wenn Maril solche Tiere erlegt hatte, schnitt er den Bauch auf, weidete sie aus, stopfte Kopf und Läufe hinein und kam mit einem handlichen Bündel, das sich leicht schultern ließ, wieder. Emilia briet dann das Fleisch mit Wurzeln und Pilzen, Kräutern und Salz, und Rita oder Ana gerbten das Leder.
Je länger sie ans Essen dachte, desto leerer fühlte sich ihr Magen an, und sie beschleunigte ihren Schritt. Sie freute sich nicht nur auf den morgendlichen Mate-Tee, sondern auch auf ein Stück Brot, das sie erst vor zwei Tagen frisch gebacken hatte – eine mühselige Prozedur vor offenem Herd zwar, bei dem man meist inmitten einer beißenden Rauchwolke stand, aber eine Arbeit, die sich lohnte.
Sie hatte das Haupthaus noch nicht erreicht, als sie plötzlich innehielt. Nicht nur die Stimmen der anderen, die mittlerweile erwacht waren und sich für den Tag rüsteten, waren zu vernehmen, sondern auch das Getrampel von Hufen. Als sie sich umdrehte, sah sie die übliche Staubwolke, die diese im Patio aufgewirbelt hatten; so dicht war sie, dass sie zunächst die Reiter nicht erkennen konnten, die auf der Estancia eintrafen. Unwillkürlich pochte ihr Herz schneller. Inmitten der Einöde war es stets eine Freude, Besuch zu bekommen, doch seit der Belagerung vor einem Jahr lebte sie mit der steten Angst, dass Esteban und Jerónimo erneut auftauchen könnten, um die Estancia einzufordern, oder junge Männer sie auf der Jagd nach Indianern heimsuchten. Zwar hatte sie seit damals einige Angestellte, die nicht nur während arbeitsintensiver Zeiten wie der Schur, sondern permanent auf der Estancia lebten und sie bewachten, und es war auch nie zu einem weiteren Vorfall dieser Art gekommen, aber sie wurde ihr Unbehagen nie gänzlich los und fühlte sich manchmal wie aus tausend unsichtbaren Augen beobachtet. Nun sah sie, wie sich ein überaus breitschultriger, dicker Leib von einem der Pferde schwang – erstaunlich, dass das Tier ihn überhaupt zu tragen vermochte –, und das konnte nur Pedro sein. Sein Versprechen nach dem Überfall, nun dauerhaft auf der Estancia zu leben und sie zu beschützen, hatte er – wie von allen erwartet – gebrochen, aber er kam nun häufiger und
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