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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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der Mann, der seit Kindesbeinen ihr Vertrauter gewesen war, mit dem sie sich eine gemeinsame Zukunft erträumt und mit dem sie jene Nacht im Wald verbracht hatte, ehe sie die Heimat für immer verließ. In ihrer Erinnerung hatte sein Gesicht an Klarheit verloren, und als sie ihn jetzt musterte, war er ihr beinahe gänzlich fremd. Weil er sich verändert hatte? Oder sie sich?
    In jedem Fall stand sie ihm nach all den Jahren wieder gegenüber – dem Freund ihrer Kindheit, dem späteren Verlobten, der großen Liebe ihres Lebens: Manuel Steiner.

    Emilia konnte es sich nicht erklären, doch in den ersten Tagen des Besuchs wich sie jeder Gelegenheit zu einem vertraulichen Gespräch mit Manuel aus.
    Schon als sie sich begrüßten, höflich, aber distanziert, waren sie nicht allein, da Cornelius und Elisa ihr nach draußen gefolgt waren. Anstatt sich von ihnen beobachtet zu fühlen, war Emilia erleichtert darüber, und wenn sie diese Gemütsregung auch nicht recht deuten konnte, so sorgte sie auch in den nächsten Tagen instinktiv dafür, dass sie nie mit Manuel allein war. Sie musterten sich verstohlen, vor allem dann, wenn der andere gerade nicht hersah, sprachen viel und laut über Handel und Viehzucht und Geschäftsbeziehungen, und zwischendurch lächelten sie sich an – doch scheu und zögernd, wie Verwandte es tun, die irgendwie zusammengehören, nicht wie ein einstiges Liebespaar.
    Gleich nach der Ankunft der Gäste stürzte sich Emilia in die Arbeit. Sie kochte sämtliche Gerichte, für die sie die Zutaten zur Verfügung hatte, sorgte dafür, dass jeder Gast zu einem Bett kam, bezog jedes einzelne selbst und lief dann ständig zwischen Haus und Koppeln hin und her. Sie gab vor, sich um die Schafe zu kümmern. In Wahrheit glaubte sie, Kopf und Brust müssten ihr gleichermaßen platzen, wenn sie innehielt und darüber nachdachte – dass sie ihren Vater wiedersah, Elisa … und Manuel.
    Erst nach und nach erlangte sie wieder die Kontrolle über ihre Gefühle. Als Cornelius und Elisa darum baten, die Estancia zu erkunden, war Emilia gerne bereit, ihren Besitz zu zeigen, und lud – vermeintlich leichtfertig – auch Manuel ein mitzukommen. In den Stunden, die folgten, waren es nur Cornelius und Elisa, die ausführlich Fragen zu den Schafen stellten – ergriff Manuel das Wort, ging es um sein Thema: den Handel.
    Zunächst schob sie es auf seine Verlegenheit, dann erwachten Erinnerungen an die vielen Stunden, da sie und Manuel auf Bäumen gehockt waren, sie über ihre Zukunft gesprochen hatten und er großspurig Geschäftsideen ausgeheckt hatte – meist ellenlange Monologe, in denen es immer nur darum gegangen war, wie er reich werden würde. Sie hatte nie daran gedacht – erst jetzt fiel es ihr wieder ein, dass sie diese Reden schon als junges Mädchen nicht immer nur aufregend, sondern manchmal auch langweilig gefunden hatte.
    Wehmut erwachte in ihr, das schon, aber keine Pein, als sie im erwachsenen Mann den Manuel von einst erkannte – jenen Manuel, der sich hochtrabende Ziele setzte, dem die Siedlung am Llanquihue-See immer zu klein gewesen war, der vom Ehrgeiz getrieben wurde und der seinen älteren Brüdern die größere Freiheit neidete. Jener Manuel auch, der dieses grimmige Selbstbewusstsein an den Tag legte, dass die ganze Welt ihm zustünde und jedes Hindernis eine Beleidigung darstellte.
    Nur eines hatte sich verändert. Sprach er früher immer nur dann, wenn er mit ihr alleine gewesen war, so hob er nun zu den längsten Reden an, wenn möglichst viele Menschen versammelt waren. Am liebsten erzählte er, wenn sie alle beim Abendmahl versammelt waren – so auch über seine Reisen nach Malleco und Cautín, beides Orte in Mittelchile, wo sich viele Deutsche angesiedelt hatten, die die grundlegendsten Dinge des Lebens brauchten und von ihm kauften. Was er nicht aussprach, Emilia aber später von Cornelius erfuhr, war, dass diese Gebiete einstiges Araukarierland waren, von dem die Indianer vertrieben worden waren. Cornelius wirkte kummervoll – Manuel schien sich mit dem Gedanken daran nie herumgeplagt zu haben.
    Nicht minder gern sprach er über seine Kontakte nach Valparaíso – zum deutschen Handelshaus Schütte, Post y Compania, zu Kedenburg y Paulsen, Rambach y Cramer – und seine Geschäftsbeziehungen mit dem deutschen Importhaus für das südliche Chile Mauricio Gleisner y Cía in Concepción. Wahrscheinlich hatte Cornelius all diese Kontakte erst ermöglicht, doch der steuerte kein

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