Jenseits von Uedem
Luftholen hinein. »Ich dank' dir schön, Mareike.«
»War das schon alles? Na gut. Ciao - und man sieht sich.«
Als sie Heuvelmanns Nummer wählte, kam van Gemmern, hager, bleich und ganz in Schwarz, wie immer. Astrid war mal eine Weile mit ihm liiert gewesen, hatte ihn rasend interessant gefunden und hinter seinem Schweigen und seiner Igeligkeit wer weiß was vermutet. Es war alles einigermaßen gut gelaufen, bis sie Gefühle gefordert hatte. Sie wußte, daß Helmut ihn mochte, weil er sich in seinem Job engagierte und absolut zuverlässig war, vor allem aber schätzte er ihn wegen seiner angeblichen Phantasie. Das mochte vielleicht für den Beruf stimmen, ansonsten hatte sie von all diesen Qualitäten wenig bemerkt.
Wie immer konnte man van Gemmerns Gruß kaum als solchen erkennen, und wie immer kam er gleich zur Sache. »Haben Sie den Pathologiebericht gelesen? Dann kann ich nicht viel Neues erzählen. Im Erbrochenen, das wir im Aufnehmer gefunden haben, waren keine Spuren von Amanitin und Phalloidin. Das bedeutet, er muß das Gift mehr als sechs Stunden vor seinem Tod zu sich genommen haben.«
»Wieso?« fragte van Appeldorn.
»Weil der Magen sechs Stunden nach der Nahrungsaufnahme wieder leer ist. Sämtliche Speise- und Getränkereste auf dem Tisch in der Stadthalle waren in Ordnung«, fuhr van Gemmern fort. »Keine Auffälligkeiten vor Ort. Eine Kleinigkeit hätte ich noch; kann allerdings bedeutungslos sein. Im Aufschlag der schwarzen Gabardinehosen des Toten habe ich vier Samenkörner gefunden, die ich beim besten Willen nicht identifizieren konnte. Ich habe sie für alle Fälle zur Bestimmung an den Biologen beim LKA geschickt. Das ist alles. Sollen wir uns noch die Wohnung des Toten ansehen?«
»Das dürfte wenig Sinn haben«, antwortete Toppe. »Aber was anderes: te Laak war am Samstag nachmittag unterwegs, und keiner scheint zu wissen, wo. Könnt ihr euch nicht mal sein Auto vornehmen? Vielleicht gibt's ja dort einen Hinweis.«
Van Appeldorn lachte. »An was dachtest du denn? Ein Spitzentaschentuch oder eine verirrte Haarnadel?«
Van Gemmern nickte nur kurz. »Sicher, läßt sich machen, wenn es nicht gerade heute sein muß. Da hat sich bei uns übers Wochenende so einiges angesammelt. Oder ist es dringend?«
»Wohl kaum«, meinte Toppe. »Aber das mit der Hose ... Astrid?« Er lächelte entschuldigend. »Bevor du an der Pferdegeschichte weitermachst, könntest du Frau te Laak mal fragen, wann ihr Sohn diese Hose getragen hat?«
8
Zwischen halb fünf und fünf versammelten sich alle nach und nach zur Teamsitzung im Büro. Astrid kam als erste. Sie fand Heinrichs lesend, halb versteckt hinter einem Wust von Papieren, Aktendeckeln und drei hohen Bücherstapeln. Er war mittags nach Hause gefahren, um sich das »Allernötigste an Fachliteratur« über Gifte und Giftmorde zu holen. Astrid biß sich auf die Unterlippe. Wenn es mal kein Fehler gewesen war, Heinrichs zum Aktenführer zu machen. Breiteneggers Schreibtisch sah immer ganz anders aus, für ihre Begriffe fast schon zu ordentlich.
Als zweiter erschien Siegelkötter, warf einen mißbilligenden Blick auf die gestapelten Bücher, hielt aber den Mund, setzte sich selbstverständlich auf Toppes Platz, nahm seinen Taschenkalender heraus und vertiefte sich augenscheinlich in besonders interessante Termine. Astrid zog ihren dicken Pullover aus und ging langsam - hautenger Body, ebenso enge schwarze Jeans - zur Fensterbank. Siegelkötter und sie hatten völlig verschiedene Ansichten, was die »Dienstkleidung« betraf. Sie zog die Glaskanne aus der Kaffeemaschine, um Wasser zu holen. Dabei stieß sie mit dem Ellbogen gegen zwei Aktenordner, die krachend auf den Boden fielen. Sie fluchte laut und bückte sich. Hinter ihrem Rücken grunzte Siegelkötter tadelnd. Giftig knallte sie ihm ein paar Bemerkungen zur blendend geplanten Renovierung des Büros um die Ohren, aber ihr Ausbruch rauschte an ihm vorbei. Er nahm nur gelassen einen Zettel aus seinem Kalender und ließ sich zu einem »Ich werde es mir notieren« herab.
Erst als Stein kam, änderte sich Stasis Haltung. Er schlug locker die Beine übereinander und versuchte sich an einem Plauderton. Auch das war nicht neu. Sobald Stein in der Nähe war, gab sich Siegelkötter herzlich, interessiert und seinen Mitarbeitern gegenüber nachsichtig, väterlich. Doch heute blieb ihm nichts anderes, als die verschlüsselten Botschaften über Bier und Aspirintabletten, die fröhlich zwischen Astrid, Stein und
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