Jenseits von Uedem
»einfach 'n bisken gequakt« und »eigentlich mehr so nebenbei« erfahren, daß Wagner bei seinem Eintritt ins Heim zwei Konten angelegt hatte: eins für die laufenden Kosten und eins als »eiserne Reserve« zu günstigeren Zinsbedingungen. Den guten Rat hatte ihm Susanne Holbe gegeben, die auch die Vollmacht über die Konten hatte.
»Da hab' ich natürlich angefangen zu porkeln. Is' ja wohl klar«, sagte Ackermann. »Ers' ma' hab' ich mir seine Schwester gekrallt, dat Güsken . « Er schlug sich auf die Oberschenkel. »Dat is' vielleicht 'n Feger, sach ich euch!«
Toppe lächelte.
»Werden Se jetz' bloß nich' rot, Chef. Die hat mir schon erzählt, dat Sie 'n alter Charmeur sind. So 'n richtiger Schwerenöter. Sacht man doch so, wa?«
Auch Auguste Beykirch hatte ein Zweitkonto, und sie hatte ihm erzählt, daß das bei den meisten anderen »Gästen« genauso war.
»Un' da sach ich mir doch, Ackermann, sach' ich, von wegen Nachtigall. Is' ja wohl klar, wo dat Geld von dieser Riefenstahl geblieben is'.«
»Riefenstahl?« fragte Astrid verwirrt.
»Na, diese Sängerin ... ich vergess' immer den Namen.«
»Heidingsfeld.«
»Genau! Tamara? Nee, ach is' ja auch egal. Ich mein', beim Wagner sind dat ja bloß so 'n paa' Kröten auf dem Zweitkonto. Aber bei Güsken, die is' nämlich die Witwe von so 'm Baumensch, da sind dat 240.000 Märker. Schön' Stängsken Geld, wenn de mich frachst. Hätt' ich wohl selbs' gern im Strömpke. Aber wat red' ich? Dat Zeuch is' ja sowieso bloß für mich interessant. Euch wollt' ich wat anderes erzählen. Ich bin da so ganz nebenbei auf wat gestoßen, dat könnt' wat für euch sein. Mein' ich jedenfalls.«
Ächzend schob er sich vom Sofa hoch, schlackste zum Schreibtisch und nahm einen der Ordner in die Hand. »Ad eins: die meisten, die da in der feinen Residenz ihr Leben fristen, haben keine Verwandten mehr. Is' doch komisch, wa? Gibbet ja nich' oft, so gar keine Verwandten. Muß man fast schon nach suchen. Übrigens, bei den lieben Verblichenen sieht dat nich' anders aus. He? Hör' ich da wat klingeln, Chef? Keine Verwandten - keine Erben?
Genau!!«
Er klopfte mit der flachen Hand auf den Aktendeckel und sah dramatisch in die Runde. »Ad zwei: Kuckt euch ma' an, wieviel Leutchen genau dann abgenippelt sind, wenn dat Geld auf dem Erstkonto so gut wie aufgebraucht war. Vermeintliches Erstkonto, muß ich noch sagen; die Zweitkonten tauchen nämlich nirgends auf. Aber, wie gesacht, kuckt euch dat ma' an. Da fallen euch aber die Schluppen aus. Mich hat dat jedenfalls an 't Grübeln gebracht. Ich weiß ja nich', wie dat mit euch steht ...«
»Gute Arbeit«, brummte van Appeldorn, und er meinte es so.
Ackermann wurde ganz fickerig vor Freude. »Ich kann euch den Rummel gerne hier lassen. Da is' alles drin, Krankengeschichte, Totenschein .«
Heinrichs schlug den ersten Ordner auf.
»Tja«, rief Ackermann. »Jetz' muß ich aber endlich in die Gänge kommen. Wat meint ihr, wat ich heut' noch alles auf meiner Liste zu stehen hab'.« Damit war er schon fast an der Tür.
»Chef?« drehte er sich noch einmal um. »Sie halten mich doch aber auf dem Laufenden?«
»Sicher«, antwortete Toppe, »das ist doch wohl keine Frage.«
»Ihr wißt ja, Mord .«
»Geschenkt«, stöhnte van Appeldorn.
22
Heinrichs war ganz wild darauf, sich die Akten vorzunehmen.
»Es macht euch doch nichts aus, wenn ich heute im Büro bleibe und mich mit Ackermanns Entdeckungen beschäftige? Könnte interessant sein, die Aufzeichnungen von diesem Köster dazu zu nehmen. Außerdem ist da noch eine andere Sache, die ich dringend überprüfen muß.«
»Was denn?« wollte Toppe wissen, aber Heinrichs wiegte nur rätselhaft den Kopf.
Astrid seufzte. »Scharf bin ich nicht gerade drauf, aber ich muß noch mal mit Schöningh sprechen.«
»Wollen Sie wirklich allein raus zur JVA?« fragte van Appeldorn.
»Muß ich gar nicht«, erwiderte Astrid kühl. »Ich hab' gestern gleich für Schöninghs Ausantwortung gesorgt. Der ist unten im PG. Ich laß ihn mir ins Vernehmungszimmer bringen.«
»Apropos«, meinte Toppe. »Es wird Zeit, daß wir hier rauskommen. Morgen soll Siegelkötter wieder zurück sein.«
Heinrichs betrachtete bekümmert die windschiefen Stapel auf dem Schreibtisch. »Das muß ja nicht jetzt sofort sein«, meinte er mißbilligend.
»Wann sonst?« fragte Toppe. »Norbert und ich müssen zu Grootens, und der ist nur bis zwölf im Altenheim.«
Unwirsch stapelte Heinrichs irgendwelche Bücher und Papiere
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