Jenseits von Uedem
auf seine Arme, sicherte sie mit dem Kinn und stapfte hinaus. Toppe nahm den Computer, Astrid den Bildschirm, und van Appeldorn griff sich Stasis Edelstahlpapierkorb und fing an, die Aschenbecher auszuleeren und Papierschnipsel vom Teppichboden aufzusammeln.
Mit dem Ellbogen drückte Heinrichs die Klinke runter, stieß mit der Hüfte die Tür auf und hielt dann mitten in der Bewegung inne. Kalte Luft schlug ihnen ins Gesicht. Alle drei Fenster in ihrem Büro waren ausgebaut. Die Baufolie, die man nachlässig befestigt hatte, schlug knatternd gegen das Mauerwerk. Ihre Schreibtische, die Stühle, alles war unter blauer Plane versteckt, überall lagen Putzbrocken herum, in der Ecke standen Werkzeuge und Schnellbinder. Ihr alter Garderobenständer hatte nicht überlebt. Armselig lehnte er an der Wand, der grüne Metallfuß mitten durchgebrochen.
»Und was jetzt?« fragte Heinrichs.
»Alles wieder zurück«, grinste Toppe.
»Sollen wir nicht vielleicht doch lieber ...« druckste Heinrichs. »Ich meine, zur Not ... das Vernehmungszimmer.«
»Quatsch«, beschied Toppe. »Der Alte hat uns nicht mal unterrichtet. Wenn der seine Termine nicht auf die Reihe kriegt, muß er sich nicht wundern.«
Schöningh merkte man seine Nacht in der Zelle überhaupt nicht an. Er ließ sich von Flintrop im Vernehmungszimmer abliefern, fläzte sich so auf den abgewetzten Holzstuhl, daß es aussah, als hätte er es unheimlich bequem, und heftete seinen Blick auf Astrids Busen. Sie schmiß ihre Papiere auf den Tisch. Er grinste spöttisch, aber sie ignorierte es und begann mit ihrer Arbeit.
Er überhörte ihre Fragen, streckte die Beine noch weiter aus und meinte: »Kein Grund zur Aufregung, oder? Die ganze Geschichte ist doch nur 'ne kleine Sachbeschädigung. Dafür krieg' ich höchstens ein paar Wochen. Ja und? Das war's wert.«
»Kleine Sachbeschädigung?« schnaubte Astrid. »Aber leider darf ich das nicht entscheiden.«
Sie legte ihm das Protokoll vor. »Lesen Sie sich das bitte durch und unterschreiben Sie dann. Ein bißchen dalli, wenn's geht.«
»Ich hab's eigentlich lieber ein bißchen langsamer«, meinte er und ließ seinen Blick auf ihrem Körper spazierengehen.
Sie knallte ihm den Stift aufs Papier.
Er las nicht, tat nur so, blätterte hin und wieder zurück und nahm endlich den Stift.
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen.
Jakob Heuvelmann sah aus, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen.
Astrid rutschte das Herz in den Bauch. »Wie kommen Sie denn hier rein?« Wo, zum Teufel, war Flintrop? Der hatte doch vor der Tür auf den Häftling zu warten.
Heuvelmann nahm Astrid gar nicht wahr. Zielstrebig ging er auf Schöningh zu. Astrid fluchte laut; ihre Dienstwaffe lag auf Stasis Sofa.
Schöningh hatte seine ganze Lässigkeit verloren; sein Blick flackerte zwischen Heuvelmann und Astrid hin und her.
Heuvelmann, die Hände an der Hosennaht zu Fäusten geballt, hatte Schöninghs Gesicht nicht aus den Augen gelassen, blieb vor ihm stehen. Seine Stimme war ganz leise, fast ohne Ton. »Du miese, kleine Drecksau!«
Astrid stand langsam auf und kam um den Tisch herum.
»Du verdammtes Schwein!« Immer noch leise.
Astrid faßte Heuvelmanns Arm, jeden Muskel in ihrem Körper angespannt. Heuvelmann zuckte und sah sie an.
»Keine Sorge«, sagte er mit normaler Stimme. »Ich tu ihm nichts. Ich werde mir doch nicht die Hände schmutzig machen.«
Astrid atmete kurz durch, aber sie ließ ihn nicht los.
Heuvelmann sah wieder Schöningh an. »Du wolltest mich kaputt machen, aber ich muß dich enttäuschen - bester Freund. Du hast meine Pferde abgestochen - mein Leben ruinierst du mir nicht! Eines mußt du wissen: wenn du dich jemals wieder an meine Frau ranmachst, bring' ich dich um.«
Schöningh liefen Schweißperlen am Hals herunter, aber er lachte. »Deine Frau? Und dein Kind?«
Im selben Moment, in dem Heuvelmann ausholte, hatte Astrid ihm schon den Arm auf den Rücken gedreht. Er verzog das Gesicht. »Sie können mich wieder loslassen, es ist schon gut.«
Astrid spürte, daß die Spannung in seinem Körper weniger wurde, und ließ locker. Heuvelmann legte seine Hand auf Schöninghs Schulter. »Meine Frau, ja, und unser Kind! Und wenn du verreckst, daran änderst du nichts!«
Astrid griff wieder fester zu. »Ich will, daß Sie jetzt gehen. Jetzt sofort! Und es wäre mir lieber, Sie täten es freiwillig.«
Heuvelmann sagte nichts. Er drehte sich nur um und ging hinaus. Die Tür ließ er auf, und so konnte Astrid
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