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Jerry Cotton - 0502 - Der Tag an dem mein Henker kam

Jerry Cotton - 0502 - Der Tag an dem mein Henker kam

Titel: Jerry Cotton - 0502 - Der Tag an dem mein Henker kam Kostenlos Bücher Online Lesen
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hoch. Er ging nervös durch das Zimmer, offenbar bemüht, den richtigen Anfang zu finden. Ich sah, wie es in ihm arbeitete. Ich rutschte auf dem steiflehnigen Stuhl herum, ohne eine bequeme Sitzposition zu finden.
    Plötzlich blieb Chester stehen. Er schaute mich an. »Ja, ich kenne Raoul«, sagte er völlig überraschend. »Ich kenne auch Claire. Ich kannte sogar Carlos Legrelle, wenn auch nur flüchtig.«
    Ich wollte aufspringen, aber Chester streckte wie beschwörend beide Hände aus. »Bleiben Sie sitzen! Wenn ich Ihnen alles beichten soll, müssen Sie Platz behalten!«
    Ich sank auf die hölzerne Sitzfläche zurück. Chester zog die Enden des purpurroten Seidenschals aus der Morgenjoppe und fuhr sich damit über die schweißfeuchte Stirn. »Raoul Gavetta«, sagte er. »Ein Genie!«
    Ich hörte zum ersten Male den vollen Namen des Mannes, den wir suchten. Raoul Gavetta!
    Chester kicherte plötzlich. Es klang wie irr. »Er hat die verrücktesten Einfälle, müssen Sie wissen. Für ihn ist das Verbrechen ein riesiges Versuchsfeld für seinen phantastischen Ideenreichtum. Sogar hier hat er sich mit seinen ausgefallenen Künsten betätigt. Sehen Sie diesen Knopf? Ich hoffte, ihn nie benutzen zu müssen…«
    Chester drückte darauf. Ich wollte aufspringen, weil ich Unheil witterte.
    Doch Sitzfläche und Stuhllehne glitten plötzlich zurück. Gleichzeitig stieß das Vorderteil des vermeintlichen Stuhles meine Beine hoch, so daß ich hilflos zurückkippte und rückwärts wegrutschte. Noch ehe ich richtig begriffen hatte, was mit mir geschah, fiel ich in einen dunklen, muffig riechenden Schacht, aus dem es mir kühl und unheimlich entgegenwehte.
    In letzter Sekunde vermochte ich mich noch mit beiden Händen am Rahmen dieser teuflischen Mechanik festzuhalten. Ich hing mit dem Körper über einem Abgrund, dessen Tiefe ich nicht kannte.
    Über mir erschien Chesters grinsendes Gesicht in der Öffnung, die vorher von dem Stuhl bedeckt gewesen war. »Es tut mir wirklich leid, Cotton!« höhnte er. »Aber ich muß Sie aus dem Verkehr ziehen!«
    Er beugte sich weit nach vorn. Ich sah, daß er ein Messer in der Hand hatte. Er setzte die scharfe Spitze spielerisch auf meine angespannte linke Hand. »Loslassen!« befahl er.
    Ich schloß die Augen und versuchte mich mit einem Klimmzug hochzuziehen. Chester drückte sofort die Messerspitze nach unten. Ich riß die linke Hand zurück und baumelte nur noch an einem Arm über dem Abgrund.
    In meinem Schädel ging es ziemlich turbulent zu. Ich versuchte mir vorzustellen, was es mit diesem Schacht für eine Bewandtnis hatte. Chesters Haus war ein älteres modernisiertes Gebäude. Vermutlich hatte es jahrzehntelang als Wohnhaus gedient. Möglicherweise hatte die Erdgeschoßwohnung einen Kamin gehabt. Der Kamin war wohl später zugemauert worden, und Chester hatte den Abzug zu einer tückischen Menschenfalle umbauen lassen.
    Wenn meine Vermutung zutraf, würde ich gleich mehr als drei Stockwerke tief fallen. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, wie ein solcher Sturz ausgehen mußte.
    »Neugier muß bestraft werden«, kicherte Chester. Er näherte die Messerspitze meiner rechten Hand. Sofort faßte ich mit der Linken hoch, um mich am Rahmen festzuhalten. Meine linke Hand blutete.
    »Das ist doch völlig zwecklos«, beschwerte sich Chester. »Wie lange wollen Sie das durchhalten? Ich steche Sie mit dem Messer in die linke Hand, und Sie halten sich mit der Rechten fest, ich knöpfe mir Ihre Rechte vor, und Sie klammern sich an die Linke! Ihre Kräfte verbrauchen sich dabei sehr schnell, mein Freund! Lassen Sie sich einfach fallen. Los! Worauf warten Sie noch?«
    Ich erwiderte nichts. Meine knapp bemessenen Luft- und Kraftreserven brauchte ich in dieser Situation für Wichtigeres. Ich schwang den Körper ein wenig hin und her, um mit den Füßen die Begrenzung des Schachtes ausmachen zu können.
    Ich stieß prompt gegen die Ziegelmauer und errechnete mir, daß die Abmessungen des ehemaligen Kaminabzuges etwas über einen Quadratyard betrugen. Das war zuviel, um mich beim Sturz aufzuhalten, und zuwenig, um einen wirklich freien Fall zuzulassen. Wenn ich abstürzte, würde ich, noch ehe ich unten ankam, mit dem Kopf so oft an dem rußigen Mauerwerk anschlagen, daß ich von dem Aufprall kaum noch etwas spüren würde.
    Chester setzte die Messerspitze auf meinen rechten Handrücken. Er drückte ganz langsam zu. Ich schloß die Augen und preßte die Zähne zusammen. Dann riß ich die Hand

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