Jerry Cotton - 0513 - 12 Stunden Todesangst
Laut.
»Schluß«, sagte ich. »Der Laden ist zu, und der Eigentümer hat es nicht gern, wenn nachts Kunden kommen, die er nicht kennt!«
»Hilfe!« flüsterte er.
Es war der leiseste Hilferuf, den ich jemals in meinem Leben gehört hatte. Dann verlegte sich der Mann aufs Jammern. »Polizei«, flüsterte er. »Wo bleibt denn die Polizei?«
»Hören Sie auf mit diesem Theater«, sagte ich auch fast flüsternd. Es war mir ganz angenehm, daß ich die Sache ohne Zuschauer erledigen konnte. Wenn er weiter so brav war, konnte ich ihn schnell zum nächsten Polizeirevier bringen. Dachte ich.
»Wir brauchen keine Polizei«, klärte ich ihn leise auf. »Ich bin Cotton .vom FBI! Sie sind festgenommen.«
Er lächelte wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum. »FBI?« fragte er, und seine Augen glänzten.
Er brachte es fertig, mich zu verblüffen. »Freuen Sie sich etwa darüber, daß das FBI Sie beim Einbruch auf frischer Tat…«
»Unsinn«, sagte er. »Was heißt hier Einbruch? Ich bin Ruby Spiegel, der Eigentümer dieses riesigen Kaufhauses. Da unten liegen die Ladenschlüssel, und in meiner Tasche steckt sogar eine Kreditkarte, auf der mein Name steht.«
Mit der linken Hand holte ich meine Lampe hervor und ließ sie kurz aufblitzen. Auf dem Boden lag tatsächlich ein Schlüsselbund mit drei Sicherheitsschlüsseln.
»Sie können mir glauben, Mr. Cotton«, sagte er. »Tatsache, ich bin der Besitzer des Ladens. Es ist nur so dunkel hier, und ich bin es nicht gewöhnt, so spät noch…«
»Kann ich mal die Kreditkarte sehen? Aber keine Dummheiten bitte!«
Er musterte mich noch einmal mißtrauisch. Dann steckte er die Linke unter den Mantel. Ich sah, daß er keine Pistole in der Hand halten konnte, als er sie wieder herauszog. Es war tatsächlich eine Kreditkarte.
»Halten Sie sie bitte«, sagte ich, jetzt schon halbwegs überzeugt.
Er hielt sie hin, und ich leuchtete. »Ruby Spiegel, Salesman«, stand auf der Karte. Sein Bild klebte daneben. Ich leuchtete auf die Ladentür, wo der Name des Inhabers stand: Ruby Spiegel.
»Sorry, Mr. Spiegel, aber es sah so aus…«
»Schon gut«, lächelte er, »wissen Sie, Mr. Cotton, man freut sich immer, wenn man sieht, wie gut die Polizei aufpaßt. Wenn Sie noch einen Moment Zeit haben und mir mal leuchten — ich will nämlich noch meine Tageskasse zum Nachttresor bringen. Ich war bei so einem blödsinnigen Boxkampf. Deshalb ist es so spät geworden.«
Ich leuchtete auf den schmalen Schlitz für den Sicherheitsschlüssel.
»Kennen Sie Whitehead?« fragte Spiegel.
»Nein«, sagte ich.
»Sehen Sie«, meinte er, »und Janek meinte, Whitehead wäre… ist ja auch egal. Ich möchte nur wissen, was mit Greyton los ist.«
Betrunken, dachte ich. Whisky!
Aber ich wollte nicht unhöflich sein, j nachdem ich ihn vorher so erschreckt hatte. »Mit Greyton?« fragte ich deshalb.
»Ja«, murmelte er. »Wissen Sie, Grey- . ton lebt wie ’ne Uhr. Morgens um 7.04 geht er aus dem Haus. Keine Minute früher, keine später. Den ganzen Tag macht er alles nach der Uhr. Jeden Abend um 5.56 Uhr kommt er zu mir in den Laden und kauft eine Packung Lucky Strike. Keine Sekunde früher, keine später.«
»Es geht nichts über ein geregeltes Leben«, lobte ich.
»Das sagt Greyton auch immer«, nickte der Zigarettenmann. »Abends um 10.30 Uhr geht er ins Bett. Um 10.45 Uhr löscht er das Licht.«
»Nicht früher und nicht später«, lächelte ich und nahm mir vor, nun endlich zu gehen.
»Dachte ich auch«, sagte Ruby Spiegel. »Aber jetzt ist es fast Mitternacht, und das Licht brennt immer noch.«
»Vielleicht gibt er eine Party«, gab ich zu bedenken.
Spiegel lachte leise. »Greyton und ’ne Party! Nein, G-man.«
Er drehte sich um, wie vorher, als ich dachte, er blicke sichernd umher. Mein Blick folgte dem seinen.
»Da drüben«, sagte Spiegel und deutete auf ein schwach erleuchtetes Fenster im ersten Stock des schräg gegenüberliegenden Hauses.
Quer über die ganze Hausfront unterhalb des Fensters, auf das Spiegel gedeutet hatte, lief ein Schild mit verschnörkelter Goldschrift: »Frank A. Hilton. Gold — Uhren — Juwelen. Seit 1913.«
***
»Fool!« knurrte Ford böse. »Du sollst den Schirm an der Leine festhalten, damit er auch genau unter dem Loch liegt. Es darf nichts mehr in den Laden fallen!«
»Fällt ja nachher doch, wenn du den Schirm ’runterläßt«, maulte Fatso.
»Aber leise, du Idiot!« fuchste sich Ford. »Bist du ein solcher Schwächling, daß du den Schirm nicht
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