Jerry Cotton - 0526 - Zwei Schluessel fuer die Hoelle
Sir. Man hat mir die Brieftasche gestohlen. Es waren sechzig Dollar darin.«
»Gehen Sie immer mit so viel Geld aus?«
Jarvis hob die eckigen Schultern und' ließ sie wieder sinken. »Ich verstehe Ihre Frage nicht, Sir.«
Der Arzt kam herein. »Sie ist über den Berg«, sagte er und rückte an seiner randlosen Brille herum. »Die Hilfe kam gerade noch rechtzeitig. Hätte die junge Dame noch einen Schluck des vergifteten Kognaks genommen, wäre sie verloren gewesen.«
»Können Sie uns verraten, wer den Kognak vergiftet hat?« fragte Harvey den Butler.
Jarvis riß die Augen auf. »Aber das ist doch ganz unmöglich, Sir.«
»Sie hören ja, was der Doktor sagt. Anscheinend hat es jemand darauf angelegt, die Heartfields auszurotten. Diesem Jemand muß klar gewesen sein, wie der Tod von John Heartfield auf seine Schwester wirken würde. Nur Sie konnten wissen, daß Miß Heartfield sich nach besonderen Aufregungen einen Kognak gönnt. In der Bar stehen mindestens drei Dutzend Flaschen — aber Miß Heartfield griff nach dem Kognak.«
»Ich würde mir lieber die Hand abhacken, ehe ich es fertigbrächte, dem gnädigen Fräulein ein Leid zuzufügen!«
»Und wie sieht es mit Mr. Heartfield aus?« fragte Harvey lauernd. »Wie standen Sie zu ihm?«
Jarvis hob das Kinn. »Ich hatte keinen Grund, mich über ihn zu beklagen.« Ich blickte den Doktor an. »Um welches Gift handelt es sich?«
»Das wird erst die Laboruntersuchung zeigen.«
»Wir lassen auch den Inhalt der anderen Flaschen untersuchen«, versicherte Harvey. Er wandte sich wieder an den Butler. »Beginnen wir noch einmal von vorn. Sie behaupten, daß Sie auf der Straße überfallen wurden. Wo ist das geschehen?«
»An der Ecke Marksman Lane, Sir. Ich wurde von hinten niedergeschlagen, kam aber noch einmal auf die Beine, um mich zu verteidigen.«
Ich gab Harvey einen Wink. Er verstand ihn und schickte den Butler hinaus. »Was gibt es, G-man?« fragte er.
»Jarvis hat nichts damit zu tun«, sagte ich. »Ich erinnere mich nicht, das Gesicht meines Gegners getroffen zu haben — und Jarvis ist deutlich an der Lippe und am Auge gezeichnet. Außerdem wäre ich mit dem Butler leicht fertig geworden. Der Mann, der mich oben auf die Bretter schickte, muß jünger und kräftiger gewesen sein.«
Harvey steckte sich eine Zigarette an. »Worauf tippen Sie, Jerry?«
»Auf eine Interessenüberschneidung«, sagte ich. »Wir wären falsch beraten, wenn wir uns nur auf einen Täter konzentrierten.«
»Sie glauben, John Heartfields Tod und der Mordversuch an seiner Schwester stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit Hedy Simpsons und Sheila Lonesdales Ermordung?«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Das genügt leider nicht.«
»Stimmt«, nickte ich. »Deshalb werde ich es beweisen,«
***
Ich klopfte an und trat ein. Jarvis stand am Fenster und starrte in die Nacht. Er drehte sich langsam um. »Ja, Sir?« fragte er. Er wirkte um Jahre gealtert. Es lag auf der Hand, daß ihn der auf ihn ruhende Verdacht mehr quälte als der Verlust der sechzig Dollar.
»Sie sind weggegangen«, sagte ich. »Darf ich mich setzen?«
»Bitte, Sir.«
Ich schaute mich in Jarvis’ Zimmer um. Es lag im Dachgeschoß und hatte schräge Wände — aber es war geschmackvoll eingerichtet und demonstrierte mit einem dicht gefüllten Buchregal, daß sein Bewohner ein belesener Mann war. Ich ließ mich rittlings auf einem Stuhl nieder und verschränkte die Arme auf der Lehne. Jarvis starrte mich an. »Haben sie das gnädige Fräulein mitgenommen?«
»Ins Krankenhaus — zur Beobachtung. Ich bin sicher, daß sie morgen entlassen wird.«
»Das ist gut«, seufzte Jarvis. Er setzte sich auf ein altes lederbezogenes Sofa und rieb sich die Stirn.
»Wie ich von dem Lieutenant hörte, waren Sie heute abend bei einem Bekannten.«
»Ganz recht, Sir. Er war noch bis vor kurzem der Butler der Hornfields. Jetzt bewohnt er ein kleines Häuschen in Brooklyn. Wir treffen uns einmal im Monat zum Schachspiel.«
»Es wäre mir lieb, wenn Sie jetzt zu ihm fahren und dort übernachten Würden.«
Jarvis starrte mich an. »Aber dann wäre doch niemand mehr im Hause, Sir!«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, verbringe ich die Nacht unter diesem Dach.«
»Sie glauben — Sie glauben, der Täter könnte noch einmal zurückkommen?« fragte Jarvis stockend.
»Er ist gestört worden. Ich bin keineswegs sicher, ob er gefunden hat, was er suchte.«
»Gut«, sagte Jarvis nach kurzem Nachdenken. »Offen gestanden ist mir
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