Jerry Cotton - 0533 - Die teuflische Blondine
von nun an nicht mehr nur als Frau, sondern auch als eine Art Athlet bewundert wurde. Ich steckte mir eine Zigarette an und sah auf die Uhr. Im Augenblick konnten wir nichts anderes tun, als zu warten. Sarah hatte uns Limonade bestellt, und wir tranken sie beide aus der Flasche, weil das hier sicherlich die saubersten Gefäße waren.
»Glauben Sie, daß es klappen wird?« erkundigte sich Sarah leise.
Ich zuckte mit den Achseln. Wenn wir vor zwölf zu viele Männer in der Gegend aufmarschieren ließen, wurden die Gangster vielleicht abgeschreckt und verzichteten auf den Treff, bevor wir sie auch nur als Gangster erkennen konnten. Wir mußten sie erst in den Hof hineinlassen, bevor wir den Block abriegeln konnten. Natürlich barg eine so locker aufgebaute Falle Risiken in sich. Aber nach Lage der Dinge war das hier nicht zu vermeiden.
»Wenn es nicht klappt«, erwiderte ich halblaut, »haben wir immerhin den Burschen, den Phil inzwischen zum nächsten Revier bringt. Einer ist schon besser als keiner.«
»Wie viele Leute wird Hywood schicken?«
»Keine Ahnung. Aber wie ich ihn kenne, werden es genug sein. Er hat uns noch nie im Stich gelassen.«
Ich spielte mit meiner Limonadenflasche. Sobald wir die Bande hochgenommen hatten, mußte ich die Mordkommission anrufen. Schließlich hatte ich in dem Backsteinbau eine bereits verweste Leiche gefunden. Aber wenn sie bereits seit Wochen dort gelegen hatte, wofür der Augenschein sprach, dann kam es jetzt auf ein paar Minuten mehr nicht an. Und die Einbrecherbande war im Augenblick vordringlicher.
»Was wollen Sie tun, während wir nachher aktiv werden?« fragte ich Sarah.
»Mitmachen«, sagte sie ruhig.
»Komint nicht in Frage, Sarah«, widersprach ich. »Wenn die Burschen versuchen, es mit uns auszuschießen, wäre Ihr schönes rotes Kostüm die auffälligste Zielscheibe, die man sich denken kann. Sie bleiben hübsch außerhalb der Gefahrenzone.«
»Jerry, ich habe die Bude vor Ihnen entdeckt!«
»Das werden wir gebührend erwähnen. Aber das nachher ist Männersache. Nichts zu machen, Sarah.«
»Na gut. Dann warte ich hier. Holen Sie mich ab, wenn es vorbei ist?«
»Das kann ich machen. Wenn der ganze Rummel nicht zu lange dauert, könnten wir anschließend zusammen essen. Einverstanden?«
»Gern, Jerry.«
»Also bis dann, Sarah. Ich muß mich auf den Weg machen, um Hywoods Abordnung einzu weisen. Verrenken Sie hier inzwischen nicht allzu viele Finger.«
»Das wird von den Angeboten abhängen«, meinte Sarah lächelnd.
Ich erkämpfte mir in der überfüllten Kneipe meinen Weg zur Tür. Dort drehte ich mich noch einmal um und blickte zurück zu Sarah. Durch die Rauchschwaden hindurch leuchtete ihr knallrotes Kostüm. Das schöne Gesicht mit dem schwarzen glänzenden Haar sah ich wie durch einen Nebel, so dick hingen die Rauchschwaden ungezählter Zigaretten und Zigarren in der Luft. Jeder andere Polizist hätte gehandelt wie ich und Sarah eher in dieser verrotteten Bude zurückgelassen, als sie zu einer Aktion mitzunehmen, bei der die Gefahr einer wilden Schießerei bestand. Und dennoch hätte ich sie mitnehmen sollen. Denn in dieser kleinen, verkommenen Kneipe wartete auf Sarah Conroy der Tod…
***
Ben Carson stand steif und starr in der offenen Tür des Badezimmers. Er starrte auf die Leiche des Mannes, die zu seinen Füßen lag. Einen Augenblick hätte er das vage Gefühl, etwas Unwirkliches zu erleben, Opfer einer Halluzination zu sein, dann hörte er das monotone Tropfen des Wasserhahns über dem Waschbecken, und dieses banale Alltagsgeräusch machte ihm klar, daß er nicht träumte, daß es nackte, häßliche Wirklichkeit war, was da auf den hellgrünen Fliesen lag.
Er bückte sich und neigte den Kopf vor. Glanzlose gelblich-braune Augen stierten ausdruckslos auf die halb im Boden versenkte Badewanne. Ein orangefarbener Schlips am Hals des Leichnams war verrutscht und drückte eine Kragenecke des beigefarbenen Oberhemds hoch. Bläuliche Schatten von starkem Bartwuchs lagen auf Kiefer, Hals und Oberlippe.
Ich kenne ihn nicht, dachte etwas in Carsons Hirn. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Ein völlig sinnloses Gefühl der Erleichterung kam mit diesem Gedanken. Carson richtete sich auf. Er streckte die Hand aus und wollte den Wasserhahn zudrehen, damit dieses verdammte Getröpfel aufhörte. Im letzten Augenblick zog er die Finger zurück. Das hätte noch gefehlt, daß er jetzt neben der Leiche seine Fingerspuren zurückließ.
Fingerspuren! Seine
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