Jerry Cotton - 0540 - Terror im Highway-Hotel
sein, um für die nachfolgenden Gangster die Lage zu erkunden?«
»Das wäre doch möglich?«
»Klar. Es gibt genug Gangsterliebchen, die solche Aufgaben übernehmen. Eine Blonde, sagst du?«
»Ja. Sehr gepflegt. Alter schwer zu sagen. Über fünfundzwanzig schätze ich. In einem roten Ford Galaxie. Kennzeichen aus Illinois. Auf dem Beifahrersitz lag eine schwarze Aktentasche, die an einer Ecke ein bißchen ramponiert war. Eine Naht klaffte, und ich konnte das hellbraune Rohleder sehen.«
»Hast du dir das genaue Kennzeichen nicht gemerkt?«
»Doch«, erwiderte Brewer und sagte es aus dem Kopf auf.
»Was willst du jetzt machen?« fragte sein Kollege von der Südseite.
»Ich muß mich erst einmal um einen Arzt für Morton kümmern. Und dann muß natürlich die zuständige Polizei her. Die Highway Patrol.«
»Die kann ich inzwischen für dich anrufen.«
»Danke. Ich melde mich wieder.«
»Brewer? Nur noch schnell eine Frage!«
»Ja?«
»Könnte es dem Mädchen aufgefallen sein, daß du ihren Schlitten so genau unter die Lupe genommen hast?«
»Nein. Ich habe die Batterie und Kühlwasser nachgesehen und bei der Gelegenheit die Karte über den Ölwechsel gesehen. Außerdem habe ich ihr die Windschutzscheibe gewaschen. Gehört doch alles zu unserem Service.«
»Erzähle trotzdem nicht mehr Leuten als unbedingt nötig, was du so alles siehst. Wenn es die Falschen erfahren, könnten sie dir noch einmal einen über den Schädel geben. Und zwar endgültig.«
»Nein«, sagte Brewer. »Eine zweite Chance räume ich den Kerlen nicht ein. Ich habe noch ein altes Souvenir aus seligen Soldatentagen, das lag bisher in irgendeiner Ecke meines Zimmers. Es wird in Zukunft griffbereit in der Tankstelle liegen.«
»Und was für ein Souvenir ist das?«
»Ein sehr zuverlässiger Revolver«, sagte Hank Brewer.
***
Außer einem kleinen Kino, dem Frühstückssaal, dem Schreibzimmer und dem Frisiersalon gab es in der ersten Etage vor allem ein paar Zimmer, die für die Leitung und Verwaltung des Hotels benutzt wurden. An den Türen gab es Aufschriften wie »Einkauf«, »Buchhaltung«, »Personal-Abteilung«, »Tankstellen und Reparaturwerkstätten« und »Public Relations«. Ich ging an ihnen vorbei bis zu der Tür, die das Schild trug »General Manager«. Dort klopfte ich.
Drinnen ertönte etwas Unartikuliertes. Ich faßte es als Einladung auf und öffnete die Tür. Das Vorzimmer war nicht beleuchtet, aber die Verbindungstür stand offen und ließ einen Streifen Licht heraus. Ich durchquerte das dunkle Vorzimmer und betrat den nächsten Raum.
Steve Anderson saß hinter dem hellen Schreibtisch. Mit seinen sechsundsiebzig Jahren war der bekannte Multimillionär noch immer eine äußerst imponierende Erscheinung. Bei meinem Eintritt stand er auf. Er war noch in der Lage, kerzengerade zu stehen. Seine Iireiten Schultern verrieten genauso wie seine großen Hände, daß er im Leben hatte hart zupacken müssen. Sein kantiger Kopf mit der schneeweißen Haarbürste zeigte scharfe Linien und wurde beherrscht von den durchdringenden, blaugrauen Augen.
»Was, zum Teufel, hat da so gekracht?« bellte er mich an.
Ich zuckte mit den Achseln.
»Keine Ahnung, Mr. Anderson.«
Er runzelte die Stirn. Seine Stimme war fest und energisch wie seine Fäuste. Anscheinend gab es nichts an ihm, was seinem tatsächlichen Alter entsprochen hätte.
»Wer sind Sie?« fuhr er mich an. »Sie gehören doch nicht zum Personal? Wie kommen Sie dann hierher?«
Ich drehte mich um und zog die Verbindungstür zu. Der alte Herr gefiel mir. Aber offenbar gefiel ich ihm nicht. Als ich mich ihm wieder zuwandte, knurrte er mich an wie eine gereizte Bulldogge:
»Verschwinden Sie — oder ich werfe Sie hinaus, daß Sie direkt bis in ein Krankenhaus fliegen.«
»Das wäre vielleicht doch ein bißchen zu anstrengend für Sie«, sagte ich. »Sie sind Steve Anderson, stimmt’s?«
»Ja. Und?«
»Ich heiße Jerry Cotton. Hier im Hotelregister bin ich als Reporter aus Chicago eingetragen.«
»Reporter? Ich habe im Augenblick keine Lust für ein Interview.«
»Ich will gar keins. Es gäbe ja doch keine Zeitung, die es drucken würde.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich in Wahrheit kein Reporter bin. Ich bin G-man vom FBI. Normalerweise gehöre ich zum Distrikt New York. Aber für diese Sache hat man mich abkommandiert. Die zuständige FBI-Abteilung wäre eigentlich Chicago, aber die Leute dort haben hier vielleicht zu bekannte Gesichter.« Der Alte hatte seine
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