Jerry Cotton - 0543 - Das Todeslied der Kapuzenmaenner
Cops versuchten, in das Lagerhaus einzudringen. Mit grimmigem Lachen zog ich die Kette auf die Hebebühne. Die Plattform maß vielleicht zwei mal drei Yard und war direkt unterhalb der Laufschienen des Flaschenzuges angebracht. Ich saß so ausweglos fest wie eine Katze auf der Spitze eines Lichtmastes.
Unter mir lauerte der Polizist auf dem Dach des Lastwagens, und am Ende der Plattform gab es nur die glatte, fensterlose Mauer des Lagerhauses. Mir blieb nur ein Weg, über den ich die Plattform verlassen konnte, und das war der Weg über die Leitschienen des Flaschenzuges.
»Sind Sie verrückt? Kommen Sie zurück!« schrie der Mann auf dem Wagen erschrocken, als er bemerkte, was ich vorhatte. Als ich auf den Schienen stand, die Arme weit ausgebreitet, um das Gleichgewicht zu halten, rief er noch einmal eindringlich: »Geben Sie doch auf, Mann! Sie werden sich das Genick brechen!«
Ich wagte nicht, den Blick von den schmalen, vielleicht handbreiten Schienen zu nehmen, aber ich glaubte die Stimme Wades zu erkennen. Von ihm drohte mir keine Gefahr, dessen konnte ich sicher sein — wenn nicht einer der Cops auf die glorreiche Idee kam, mich wie eine Tontaube abzuschießen.
Ich hatte die Strecke zur Hälfte zurückgelegt, als ich wieder die Stimme hörte. »Nehmen Sie die verdammte Pistole herunter, ich will den Satan lebend wiederhaben.« Mir lief ein eisiger Schauer über den Rücken, während ich meinen Weg in luftiger Höhe fortsetzte.
Unter mir war es ruhig geworden. Mit atemloser Spannung verfolgten sie meinen Weg. Schweißgebadet setzte ich Schritt vor Schritt. Langsam tastend schob ich einen Fuß vor, prüfte seinen Stand, und erst dann — wenn ich ganz sicher war — verlagerte ich das ganze Gewicht auf ihn.
Auf dem Hof ertönten laufende Schritte. Wahrscheinlich nahmen sie mich auf der anderen Seite gebührend in Empfang. Ich zwang mich zur Ruhe. Nicht daran denken, befahl ich mir. Weiter, Schritt für Schritt.
Irgendwie schaffte ich es. Meine Hände stießen gegen das rauhe Mauerwerk.
»Paßt auf, er ist drüben!« brüllte eine Stimme warnend.
Sie kamen aus dem vierten Stock über die Feuertreppe, die zwei Yard neben mir in den Hof führte. Am Fuße der Leiter standen Toso und ein Cop. Sie starrten erwartungsvoll zu mir herauf.
»Nehmt euch in acht, er ist bewaffnet!« schrie der Cop seinen Kollegen auf der Feuerleiter zu. Toso hielt ihn zurück, als er den Fuß auf die Leiter setzen wollte. Er drängte sich an dem eifrigen Cop vorbei und bestieg als erster die Leiter.
Ich preßte mich gegen die Hauswand, als ich auf der Verankerung der Leitschienen einen einigermaßen festen Halt gefunden hatte. Ein freudiger Schreck durchzuckte mich. Meine Augen weiteten sich vor Erstaunen. Direkt über mir befand sich ein kleines längliches Fenster.
»Der Himmel hat ein Einsehen!« grinste ich grimmig. Sekunden später hatte ich mich auf die Fensterbank gezogen, angelte nach meiner Magnum und zertrümmerte mit einem Schlag die Glasscheibe. Ich fuhr mit der Hand durch das Fenster und öffnete die Verriegelung. Hinter mir erscholl ein wütendes Gebrüll, als ich mich durch das schmale Fenster zwängte. Die Cops sahen sich schon um ihre sichere Beute betrogen.
Ich landete auf einem Laufgang, der sich fast in Deckenhöhe um die gesamte Lagerhalle zog. Im mageren Licht der Notbeleuchtung sah ich schemenhaft die riesigen quadratischen Komplexe der Kistenstapel unter mir liegen. Ich huschte den Gang entlang. Die eisernen Stufen dröhnten unter meinen Schuhen, als ich, mehrere Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter in die Halle stürzte.
Von diesem Moment an war meine Flucht vom Glück begünstigt. Ohne Aufenthalt gelangte ich durch die riesige Lagerhalle, erreichte unangefochten einen Flur, an dem die Büros des Hauses lagen, und fand nach kurzem Suchen eine Ausgangstür, die mich in eine Nebenstraße entließ.
Keine Menschenseele war zu sehen, als ich vorsichtig die ausgestorbene Straße betrat. Wie ein verspäteter Nachtschwärmer bummelte ich durch die Straßen, bis ich in der Nähe der Sheridan Street eine Telefonzelle fand.
Ich wählte die Rufnummer des Scandia. Lazaro Capucine meldete sich, als habe er neben dem Telefon auf meinen Anruf gewartet.
»Wo sind Sie jetzt?« fragte er knapp, als ich mich zu erkennen gab. Ich erklärte ihm mit fliegender Stimme, was geschehen war, dann sagte ich, wo ich zu finden sei.
»Gut, Shibell, rühren Sie sich nicht von der Stelle. Ich lasse Sie von Geraghty und
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