Jerry Cotton - 0553 - Ein Toter wird ermordet
ihm?«
»Gehirnerschütterung. Wahrscheinlich Schädelbruch. Er wird sofort operiert.«
Sie trugen ihn vorsichtig zum Wagen. Floyds junges Gesicht war schneeweiß und eingesunken. Violette Schatten schienen die Augenhöhlen zu vertiefen. Die Nase trat spitz hervor. Ich rannte ins Haus.
Die Tür zum Apartment war angelehnt. Ich stürmte hinein. Eleonor King lag auf der Couch. Mein Kollege Hyram Wolf stand am Fenster. Sein Gesicht wirkte düster.
»Gut, daß du kommst, Jerry. Ich glaube, wir haben es mit einer weiblichen Bestie zu tun.«
Ich schloß die Tür und trat zur Couch. Eleonor war blaß, aber bei Bewußtsein. Sie versuchte zu lächeln. Es mißglückte gründlich. Ihre linke Hand war bandagiert und eingegipst. Eleonor mußte geweint haben. Ihre Augen waren geschwollen.
Ich ließ mich in einen Sessel fallen, stützte einen Moment das Gesicht in die Hände und sagte dann: »Also, was war?«
»Als ich herkam«, antwortete Hyram, »meldete sich niemand. Ich mußte den Hausmeister holen. Der fand die Zweitschlüssel nicht. Ich war drauf und dran, die Tür aufzubrechen. Dann fand er sie doch noch.« Hyram ging zum Sessel und setzte sich. »Floyd lag vor der Couch, Miß King in der Küche. Beide waren bewußtlos. Der Unfallarzt stellte fest, daß beiden mit Tränengas ins Gesicht gesprüht worden ist.«
»Gloria Markson?«
»Ja. Floyds Zustand ist kritisch. Sie muß ihm mit einem Bleiknüppel oder etwas Ähnlichem drei- oder viermal über den Kopf geschlagen haben. Natürlich erst, als er blind und wehrlos war. Der Unfallarzt hat sich länger als eine halbe Stunde um Floyd kümmern müssen. Erst dann war er transportfähig.«
Ich deutete auf Eleonor. »Was ist mit Ihrer Hand?«
Eleonor flüsterte: »Gebrochen. Die Frau hat mich mit dem Totschläger auf den Handrücken geschlagen.«
»Sind Sie in der Lage, von Anfang an zu berichten?«
Sie nickte. »Mr. Winter hat die meiste Zeit draußen im Wagen gesessen. Ab und zu kam er an die Tür, um nach mir zu sehen. So gegen halb fünf hatte ich Tee gebrüht. Ich bat ihn herein. Wir haben Sandwiches gegessen und uns unterhalten. Dann bin ich in die Küche gegangen, weil der Tee nicht reichte. Ich hörte, wie es klingelte. Ich hörte, wie Mr. Winter zur Tür ging und öffnete. Er sagte was. Es klang wie: ,Bitte sehr, Sie wünschen?' Dann hörte ich ihn aufschreien. Nicht sehr laut. Gerade so, daß ich es noch wahrnehmen konnte. Außerdem war da noch ein Geräusch, das mir seltsam vorkam. Anschließend hörte ich einen dumpfen Fall und wie die Tür geschlossen wurde. Ich war völlig kopflos vor Angst. Als ich die Küchentür aufriß, stand die Frau vor mir.«
»Wie sah sie aus?«
»Groß, kräftig, hellblond. Ich glaube, sie hatte ein blaues Kostüm an. Ich habe noch'genau gesehen, daß sie eine Handtasche am linken Arm trug. In der linken Hand hielt sie eine Spraydose, in der rechten einen Knüppel oder etwas Ähnliches. Es war ungefähr so lang.« Mit den Händen zeigte sie es.
»Ein Totschläger«, sagte Hyram.
»Ich war starr vor Schreck. Mr. Winter lag dort.« Eleonor deutete auf den Teppich zwischen Tür und Couch. »Ich wollte schreien. Aber sie hat sofort die Spraydose auf mich gerichtet und mir einen Strahl ins Gesicht gesprüht. Ich konnte nichts mehr sehen. Es biß in den Augen. Ich merkte, wie mir die Tränen übers Gesicht liefen. Schreien konnte ich nicht, denn die Frau war schon bei mir. Sie preßte mir eine Hand auf den Mund.«
Erschöpft schloß Eleonor die Augen. Ich ließ ihr einen Moment Ruhe. Unaufgefordert redete sie weiter: »Die Frau war stark. Ich wollte mich wehren. Es hatte keinen Sinn. Sie sagte, sie würde mir die Knochen brechen, wenn ich einen Laut von mir gäbe. Dann hat sie mich nach Ted Hatching gefragt. Sie wollte alles wissen. Zuerst habe ich gelogen. Sie hat es gemerkt und mir gegen den Magen geschlagen. Mir war so übel, daß ich minutenlang nichts sagen konnte. Dann habe ich das Versteck in North Port verraten. Ich dachte, wenn sie dorthin fährt, um nach Ted Hatching zu suchen, läuft sie Ihnen, Jerry, oder einem Polizisten in die Arme.«
»Und wie ist das mit der Hand passiert?«
»Als die Frau alles wußte, hat sie mich in die Küche geschoben. Ich weiß nicht warum. Es war unheimlich. Ich spürte, daß sie was vorhatte. Ich fragte sie. Aber sie hat nicht geantwortet. Dabei merkte ich genau, daß sie dicht vor mir stand. Dann hörte ich ein sausendes Geräusch. Instinktiv habe ich die Hände hochgerissen und meinen
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