Jerry Cotton - 0554 - Das Geheimnis der Millionenbande
verdeckt immer ein Drittel eines Gesichts.«
Er klopfte dem Kunstschützen lässig auf die Schulter. »Schieß nicht vorbei, Dave!«
Durch eine Falltür verließ Frank Hever das Dach. Guerney sicherte die Tür durch eine Stahlstange, die er durch eine Lasche schob. Er schlich zur Brüstung zurück und legte sich dahinter. Sorgfältig schraubte er das Zielfernrohr auf, entsicherte die Waffe, legte sie griffbereit neben sich und blickte über die Brüstung in den Innenhof.
Seine Gedanken kehrten zu den Ereignissen der vergangenen Nacht zurück. Er hatte den Schießbudenbesitzer weggeputzt, bevor der Alte mit dem G-man hatte reden können, aber es war klar, daß Rowsky den G-man durch ein Telefongespräch herbeizitiert hatte. Guerney quälte die Frage, wieviel Rowsky schon während des Telefonats gesagt haben mochte. Er war, als er sicher sein konnte, den G-man abgeschüttelt zu haben, zur Autoverwertung gefahren, hatte aber Hever und Marda nicht angetroffen. Erst am frühen Morgen hatte der Boß ihn angerufen und ihm erklärt, daß sie heute einen neuen Überfall starten würden. Guerney hatte die Zeitungen durchgeblättert, aber noch stand da nichts über den Mord von Cadman-Plaza drin. Der Kunstschütze hatte gegenüber Hever und Marda über die Ereignisse der vergangenen Nacht geschwiegen. Er hoffte, seine Kumpane würden nichts von der ganzen Sache erfahren.
Dave Guerney fürchtete sich auf eine Weise, die er sich selbst nicht erklären konnte, ja, die er sich selbst nicht einmal eingestand. Nahezu hundert Fuß unter ihm verließ ein uniformierter Mann die Pförtnerloge. Er ging am Gitter entlang, blickte in die schmale Straße, machte eine Runde um den nicht sehr großen Hof und kehrte in den Anbau zurück.
Guerney ergriff die Mannlicher-Büchse und ging in die Hocke. Er preßte eine Schulter gegen die Brüstung und starrte angespannt nach unten. Zwei Minuten später wurde von innen die Tür geöffnet, die Hever ihm bezeichnet hatte. Zwei Männer kamen heraus, die zwischen sich eine längliche Kiste aus glänzendem Metall trugen. Die Kiste schien nicht sonderlich schwer zu sein, denn die Männer bewegten sich schnell auf den Lieferwagen zu.
Der Kunstschütze legte das Gewehr an. Deutlich und groß sah er Brust und Kopf des Mannes auf der linken Seite im Zielfernrohr. Dave Guerney zog durch, schwenkte die Waffe um eine Handbreit nach links, sah den Oberkörper des zweiten Mannes, in dessen Gesicht sich noch nichts abzeichnete, obwohl sein Kollege in dieser Sekunde zusammenbrach. Guerney zog zum zweitenmal durch. Er empfand nichts dabei.
***
Alexandra Cabbrey kam die Treppe herunter und holte die Frau, die ihr den Weg gewiesen hatte, zwischen der ersten.Etage und dem Erdgeschoß ein. »Ist er nicht zu Hause?«
»Wo finde ich ein Telefon?« sagte die Bankchefin mit eisiger Ruhe.
»Kellogs haben einen Anschluß!«
»Bringen Sie mich hin! Ich muß die Polizei anrufen! Edward Forest ist ermordet worden. Er liegt tot in seiner Badewanne.«
Der Reinmachefrau klappte der Unterkiefer herunter. Derb hieb Alexandra Cabbrey die Faust auf ihren Arm. »Bringen Sie mich zu dem Telefon!«
Eine Minute später alarmierte sie über das Telefon die Polizei. »Sie sprechen mit Alexandra Cabbrey von der Cabbrey-Investitionsbank. Ich rufe aus dem Haus 302 der 68. Straße an. In der fünften Etage befindet sich ein ermordeter Mann. Schicken Sie die Mordkommission!«
Sie legte auf, kramte eine Zigarettenschachtel aus ihrer riesigen altmodischen Krokodilhandtasche. »Ich glaube, ich warte auf die Cops«, knurrte sie, »obwohl ich Besseres mit meiner Zeit anzufangen wüßte.«
Der erste Streifenwagen kam nach wenigen Minuten. Die Bankchefin ging mit den Cops nach oben, aber sie betrat die Wohnung nicht zum zweitenmal.
»Kennen Sie den Mann?« fragte der Streifenführer, nachdem er einen Blick in das Badezimmer geworfen hatte.
»Kann ich leider nicht leugnen. Er heißt Edward Forest. Früher arbeitete er in meiner Bank als Kassierer.«
Die Beamten der Mordkommission trafen ein. Die Gruppe stand unter der Leitung von Inspektor Ross. Während der Fotograf die notwendigen Aufnahmen machte, ging Ross durch die Wohnung. Im Wohnraum fiel ihm ein Gegenstand auf, der zur Hälfte unter einem umgestürzten Sessel hervorragte. Vorsichtig zupfte er ihn heraus. Es war eine völlig neue, druckfrische Zwanzigdollarnote. Er hielt den Geldschein seinem Assistenten hin.
»Umgebracht!« brummte er.
»Hier liegt noch einer!« sagte der
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