Jerry Cotton - 0563 - Der letzte Mann in Jennys Leben
Gebäudes, in dem Underwood wohnte, gut beobachten.
Ich ließ die Scheibenwischer eingeschaltet und suchte die Kette der geparkten Fahrzeuge ab. Ich fand den blauen Buick. Underwood war also zurückgekommen und hielt sich jetzt in seiner Wohnung auf.
Ich wartete. Vielleicht saß ich heute abend noch hier, vielleicht blieb der Ganove in seinem Bau, und meine Mühe war umsonst. Aber ich hatte Glück. Um halb vier trat er aus dem Haus.
Ich schaltete den Motor an und beobachtete Underwood. Er trug einen blauen Mantel aus glänzendem Material. Er hatte den Kragen hochgestellt und sich den Wetterhut in die Stirn gezogen. Er schob die Hände in die Taschen, ging zum Wagen, schloß die rechte Tür auf und stieg ein. Er rutschte über den Beifahrersitz ans Steuer. Dann glühten die Rückleuchten auf.
Es war mittlerweile so dunkel geworden, daß sämtliche Wagen mit Standlicht fuhren. Hinter einem Truck fädelte sich Underwood in den Verkehrsstrom. Ich ließ zwei Wagen zwischen uns. Dann folgte ich ihm.
Er fuhr zum Broadway, dann ohne Unterbrechung nach Süden. An der Kreuzung 23. Straße bog er in die Fifth Avenue ein. Wir fuhren weiter in südliche Richtung zum Washington Arch, dann den West Broadway entlang zur Fulton Street. Eine Weile ging es kreuz und quer, bedingt durch die zum Teil unglückliche Anordnung der Einbahnstraßen. Ich ahnte bereits, wohin Underwood wollte, und ich irrte mich nicht. Wir erreichten den Südzipfel von Manhattan, den Battery Park. Underwood fuhr auf den Parkplatz am Ende der State Street. Ich folgte ihm langsam.
Sein Buick glitt in eine Lücke am Ende der linken Reihe. Ich versteckte meinen Flitzer zwischen zwei Kombiwagen unmittelbar hinter der Einfahrt zum Parkplatz. Ich stieg aus, schloß den Wagen ab, ging um ihn herum, duckte mich und spähte nach hinten. Underwood kam. Sein Kopf war gesenkt, um das Gesicht gegen den schräg einfallenden Regen zu schützen. Bis zu den Ellbogen vergruben sich seine Unterarme in den Manteltaschen.
Ich ließ ihn vorbei. Als ich nur noch die Umrisse seiner Gestalt in den Regenschleiern erkennen konnte, folgte ich ihm.
Underwood lief quer durch den 'Battery Park. Nebel schwebte vom Wasser heran. Ich hörte das Stampfen von Schiffsmaschinen. In den Docks der United Fruit Corporation begann eine Sirene zu heulen.
An der Nordwestseite des Parks liegt das ehemalige Hafenfort Castle Clinton. Um 1900 hatte man daraus ein Ballhaus gemacht. Der Laden rentierte sich nicht, und aus Castle Clinton wurde das Durchgangslager für Einwanderer. Aber auch das war nur von kurzer Dauer. Jetzt ist dort ein Aquarium untergebracht. Für einen Vierteldollar kann man sich Riesenschildkröten, Krokodile, Schlangen, Vogelspinnen, Rochen, Warane und nahezu sämtliche Fischarten ansehen.
Underwood betrat das Aquarium.
Ich wartete eine halbe Minute. Dann löste ich an der Kasse die Eintrittskarte. Ich stieg vierzehn Stufen hinauf. Ein breiter, halbdunkler Gang öffnete sich. Auf beiden Seiten waren erleuchtete Aquarien in die Wände eingelassen. Hinter dickem Panzerglas glitten buntschillernde Fische lautlos dahin.
Überall standen Bänke. Viele Besucher saßen und beobachteten das faszinierende Schauspiel. Ich entdeckte den Schnurrbärtigen. Er stand vor dem Seeigel-Aquarium, knöpfte sich den Mantel auf, nahm den Hut ab und schlenkerte mit ihm, wobei Regentropfen nach allen Seiten spritzten. Aus dem Aquarium fiel Licht auf sein arrogantes Gesicht. Er sah auf die Uhr. Seine Zähne bearbeiteten die Unterlippe. Dann drehte er sich um.
Bevor er in meine Richtung blickte, war ich hinter einem Pfeiler verschwunden.
Underwood ging zu einer Bank. Bis auf den Eckplatz waren alle Sitze belegt. Eine ältere Frau, die sich mühsam mit einem Krückstock bewegte, hatte das gleiche Ziel. Nur noch zwei Schritte trennten sie von dem Platz, als sie von Underwood überholt wurde.
Natürlich merkte er, daß die gebrechliche Frau den Platz nötiger hatte als er. Aber er ließ sich nieder, schlug mit großer Selbstverständlichkeit die Beine übereinander und war angelegentlich mit dem Aufziehen seiner Armbanduhr beschäftigt. Die Frau blieb vor ihm stehen. Für einen Moment sah sie ihn bittend an. Aber der Schnurrbärtige fing den Blick nicht auf. Als sich die Frau abwenden wollte, erhob sich ein Mädchen am anderen Ende der Bank. Es bot der Frau seinen Sitz an, nahm sie am Arm und führte sie hin.
Hinter Underwood schlenderte ich eine Weile auf und ab. In einer entfernten Ecke lehnte ich
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