Jerry Cotton - 0569 - Perlen Mord und heisse Traenen
Zigarette an und beobachtete dabei meine nächste Umgebung. Dabei fiel mir ein Chinese auf, der, kaum zehn Schritt von mir entfernt, bemüht war, mich zu übersehen.
Noch immer mit meiner Zigarette beschäftigt, die scheinbar nicht brennen wollte, ging ich näher an den Chinesen heran. Dann war ich so dicht bei ihm, daß er mir nicht mehr ausweichen konnte. »Bitte, Senor«, sagte ich, »haben Sie vielleicht Feuer? Eben habe ich mein letztes Streichholz verbraucht.«
Er machte eine Bewegung, als ob er davonrennen wollte. Dann besann er sich. Auf seinem undurchdringlichen asiatischen Gesicht breitete sich ein zaghaftes Lächeln aus. Nur seine Augen redeten eine andere Sprache.
»Gewiß, Senor«, lispelte er, drehte sich ganz herum, so daß wir uns genau gegenüberstanden, und griff mit beiden Händen in die Taschen seiner weiten Hose. , Auf diesen Moment hatte ich gewartet. Ich drängte ihn einen Schritt näher zur Häuserwand und zischte: »Lassen Sie Ihre Hände, wo sie sind, sonst wäre ich leider genötigt, Ihnen ein paar kleine Löcher in Ihren Seidenanzug zu brennen.«
Er blickte auf meine rechte Jacketttasche, in der sich der Lauf einer Pistole abzuzeichnen schien. Es war allerdings nur ein Kugelschreiber, aber das wußte er nicht.
Die Wirkung war ungeheuer. Er versuchte gar nicht, sich mit Reden aus der Affäre zu ziehen, sondern nahm meine Attacke wie eine selbstverständliche Gegebenheit hin.
»Wo ist der Mann, der Sie ablösen soll?« fauchte ich.
»Er — er wartet in der Bodega«, gab er völlig eingeschüchtert zur Antwort.
»Okay«, sagte ich, »dann haben wir ja genügend Zeit, um uns auf dem Polizeipräsidium zu unterhalten.«
Sein Gesicht veränderte sich in erschreckender Weise. Seine Haut nahm eine graue Färbung an, und die fast wimperlosen Augenlider begannen unruhig zu flattern. Nur selten war mir ein Gangster begegnet, der seine Angst vor der Polizei so offen zu erkennen gab. Da der Mann ein Chinese war, ließ seine merkwürdige Reaktion nur einen Schluß zu: Er war ein Illegaler. Die kleinste Verfehlung, die ihn mit der Polizei in Konflikt brachte, konnte für ihn das Ende in Mexiko bedeuten. Denn die Einwanderungsbestimmungen waren in den letzten Monaten verschärft worden.
»Nicht Polizei, nicht Polizei, kommen Sie ins Haus. Ich dann alles sagen, was Sie wollen.«
Ich beschloß, das Risiko einzugehen. »Los«, forderte ich ihn auf, »gehen Sie langsam voran. An der nächsten Haustür bleiben Sie stehen.«
Er ging, als ob er mit nackten Fußsohlen über ein Holzkohlenfeuer geschickt würde. Ich blieb dicht hinter ihm.
»Hier ’rein!« herrschte ich ihn an, als wir die Tür erreichten. Wir gingen durch einen langen, dunklen Flur. Dann kam eine zweite Tür, die offenbar in einen Keller führte.
Der Chinese zitterte vor Angst, als ich ihm wortlos bedeutete hinunterzugehen. Er tat es.
Ich zählte dreizehn Stufen. Dann standen wir auf hartgestampftem Lehmboden. Durch ein verdrecktes Fenster fiel dünnes Licht in den Gang.
Blitzschnell tastete ich den Gelben ab. Er trug keine Waffen bei sich, nur einen offenbar gefälschten mexikanischen Paß, der auf den Namen Pju Meatse ausgestellt war. Nur ein fast blinder Polizist konnte auf ihn hereinfallen. Der Stempel war so verwaschen, als ob man zum Drude eine Kartoffel benutzt hätte.
»Ich gebe dir eine Chance«, sagte ich. Und dann setzte ich hinzu: »Wenn du meine Fragen wahrheitsgemäß beantwortest.«
»Was für eine Chance?« fragte er gierig.
»Die Chance, in Mexiko zu bleiben.« Und dann bluffte ich. »Hast du den Mann gesehen, der neben dir stand? Er trug einen gelben Sombrero!«
Er schüttelte den Kopf. »Ich — ich habe ihn nicht gesehen.«
Ich übrigens auch nicht, nur war ich sicher, daß ein Mann mit einem gelben Sombrero sich irgendwann in unserer Nähe aufgehalten hatte. Wer trug in Mexiko keinen Sombrero, der gelb war!
»Macht nichts«, fuhr ich fort. »Du sollst nur wissen, daß ich nicht allein stehe und daß dein Boß nicht allmächtig ist. Auch wenn sich mein Freund in seiner Gewalt befindet. Das hindert mich nicht, ihn zu vernichten. Und der Mann mit dem Sombrero wird dich nicht mehr aus den Augen lassen, bis mein Freund wieder frei ist. Hast du das begriffen?«
Er nickte heftig.
»Wenn du auch nur den geringsten Fehler machst, wird das dein letzter Tag in Mexiko sein.«
»Si, Senor!«
»Du wirst also so tun, als ob nichts vorgefallen wäre!«
»Si, Senor!«
»Du wirst mich weiter beschatten, bis wir die
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