Jerry Cotton - 0574 - Teufel mit blutigen Rosen
seines jungen Lebens hat er bereits in Jugendstrafanstalten und Gefängnissen abgerissen. Offenbar ist er ein rauflustiger Bursche. Seine Strafen hängen bis auf eine mit grober Körperverletzung zusammen. Er hat sich jedesmal damit verteidigt, angegriffen worden zu sein, aber das waren bloße Schutzbehauptungen. Zwei seiner Opfer lahmen heute noch. Es heißt, daß er ein paar Monate lang als Schläger für eine Hafenorganisation tätig gewesen sei, aber das war nicht Gegenstand der Verhandlungen.«
»Was ist mit der einen Strafe, die nicht mit seinen Muskelübungen zusammenhängt?« fragte ich.
»Versuchter Raubüberfall. Die Sache scheiterte. Dafür sitzt er jetzt in Philadelphia. Er muß noch ein halbes Jahr abbrummen. Im Gefängnis führt er sich gut, sogar auffallend gut. Es ist möglich, daß man ihn früher nach Hause schickt.«
»Melde mich für morgen bitte in Philadelphia an«, sagte ich. »Ich muß mit Rinzetti sprechen.«
Dann legte ich auf. Noch fügte sich nichts zusammen. Ich überlegte. Als Rinzetti eingelocht worden war, hatte der Teufel mit den blutigen Rosen zum erstenmal zugeschlagen. Bei dem zweiten Mord hatte Rinzetti im Gefängnis gesessen. Er konnte zumindest mit dem zweiten Mord nicht in Verbindung gebracht werden. Aber vielleicht war es ohnehin sinnlos, nach Zusammenhängen zu suchen. Möglicherweise handelte es sich um Verbrechen, die voneinander völlig unabhängig waren.
Plötzlich krachte ein Schuß. Dann noch einer.
Ich spannte die Muskeln. Pistolenschüsse, dachte ich. Der Schütze stand irgendwo in dem steinigen, mit Büschen und Bäumen bestandenen Gelände, das sich hinter der Fabrikruine hügelan zog. Die Dämmerung kroch langsam über den Erdboden und verwischte die Konturen.
Wer hatte diesmal geschossen? Der Bursche mit den Blue jeans und dem bedruckten weißen T-Hemd? Daran glaubte ich nicht. Wenn es ihm darum gegangen wäre, mir eine Falle zu stellen, hätte er das hier unten versucht. Ich lauschte. Jetzt hörte ich das ferne Brechen eines trockenen Astes. Dann war wieder Stille.
Ich blickte hinüber zum Highway. Dort blitzten zwei Scheinwerferpaare auf. Sie kamen rasch näher. Kein Zweifel, der Sheriff war mit seinen Leuten unterwegs. Ich konnte es mir erlauben, Parker allein zu lassen.
Ich hetzte los, immer bergan. Ich bewegte mich geduckt und war bemüht, möglichst wenig Geräusche zu verursachen. Der kleine Schlängelpfad, dem ich anfangs folgte, verlor sich allmählich in dichtem Unterholz.
Ich machte ein paar Umwege und sprang dann nur noch von Stein zu Stein, um nicht an dem stacheligen Gestrüpp hängenzubleiben. Hin und wieder blieb ich lauschend stehen.
Plötzlich sah ich den Schuh. Er lag neben einem flachen Stein auf dem Boden. Ich hob den Schuh auf. Er war noch warm und hatte eine blutdurchtränkte Segeltuchoberfläche. Sie war blau und endete mit weißen Ziernähten an der hochgezogenen weißen Gummisohle.
Schuhe dieser Art gab es in jedem Kaufhaus. Es waren Sportschuhe, mit denen man einem Ball — aber auch einem Menschen nachjagen konnte.
Im nächsten Moment fiel mir ein, wer solche Schuhe getragen hatte.
Der Mann mit den Blue jeans. Aber auch an Lennox’ Füßen hatte ich sie gesehen.
Ich klemmte den Schuh unter meinen linken Arm und setzte die Suche fort.
Der Träger des Schuhs war offenbar von einer Kugel verwundet worden. Er konnte mit dem verletzten Fuß nicht sehr weit gekommen sein.
Ich suchte den Boden, vor allem die Oberflächen der Steine, nach Blutspuren ab, fand aber keine. Nach weiteren fünf Minuten unterbrach ich die Suchaktion und kehrte zu den Ruinen der Zuckerfabrik zurück.
Der Sheriff war inzwischen mit seinem Assistenten Ray und einem Arzt eingetroffen. Der Arzt, den Boulder mir als Dr. Houston vorstellte, kümmerte sich um den Verwundeten.
»Wie steht es mit Parker, Doktor?« fragte ich.
Houston rückte an seiner Brille herum. Sein rundes, glattrasiertes Gesicht drückte Skepsis aus. »‘Schlecht«, antwortete er. »Ärztliche Kunst allein wird ihn kaum durchbringen. Er braucht auch eine gehörige Portion Glück.«
***
Ich zeigte Boulder den Schuh und berichtete, unter welchen Umständen ich ihn gefunden hatte.
»Wohin führt das Gelände da oben?« wollte ich wissen.
»Es ist nur ein Hügel. Als Jungen haben wir da oben Indianer gespielt. Er fällt auf der anderen Seite sanft ab.«
»Führt von der anderen Seite eine Straße heran?«
»Nur ein Feldweg«, erwiderte Boulder, »aber er ist breit genug, um einen
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