Jerusalem
gefallen, Peter von Amiens in seinen Palast und vor sein Angesicht führen zu lassen. Und ich, der zu Peters engstem Begleiter wurde, bin mit ihm durch die Stadt geritten, die ihresgleichen an Pracht und Größe sucht.
Rutgar hob die Schultern, und bevor er den Federkiel eintauchte, überlegte er, ob es nicht verlorene Mühe war, einen Brief an Neidhart zu schreiben.
»Aber wer soll das Schreiben nach Köln bringen?«, murmelte er und ließ die Hand sinken.
Im Audienzsaal, auf dessen Mosaiken und Teppichen mehr als zwölf Dutzend Männer in prächtigen Roben warteten, hatte Peter vor Kaiser Alexios niedergekniet, sich von Warägern mit glattgeschabten Gesichtern, die nach Essenzen wie aus einer picardischen Baderstube rochen, aufheben lassen und gewartet, bis ihn Alexios anredete. Peter erschrak über den Blick der dunklen Augen, die unter buschigen, tiefschwarzen Brauen hervor uneingeschränkte Macht und starken Willen aussprühten.
»Ehrwürdiger Herr Kaiser Basileus, Hoheit«, erwiderte er, den Worten des Sprachenkundigen nachlauschend, »ich rede im Namen von dreißigtausend Pilgern, die Eure Großzügigkeit gerettet hat. Wie können wir Euch danken? Für so viel Gastfreundschaft und Essen und Lagerplätze?«
Der Kaiser, ein massiger Mann von knapp fünfzig Sommern, füllte wie ein sieggewohnter Krieger den Sitz des Throns aus. Er machte beschwichtigende Gesten und antwortete, ohne lange zu überlegen: »Erzähl mir, ehrwürdiger Anführer, von deinen Erlebnissen in Jerusalem. Man sagt, du warst vor etlichen Jahren in der Heiligen Stadt? Hast du mit dem Schwert oder mit dem Kreuz für den Glauben gekämpft?«
Peter zog den Kopf zwischen die Schultern, nickte vage, vergaß anscheinend den Prunk des Saales, die Umstehenden und die Wachen. Mit seinem inneren Auge schaute er das Bild Jerusalems, wie er es für sich und die Gläubigen aus tausend Träumen und Wachträumen geschaffen hatte: aus nie gesehenen Prunkbildern zusammengesetzt, fremdartig und dennoch wirklich, voller glühender Farben und durchtränkt von der Heiligkeit der Stadt Jerusalem, wo der Herr gelebt und gepredigt hatte und wo Christus gepeinigt und hingerichtet worden war, und von wo aus er aufgefahren war in den Himmel, das Ziel aller wahrhaft Gläubigen. Mit eindringlicher Stimme, von seiner inneren Bewegtheit geführt und gedrängt, begann Peter zu berichten. Jetzt verstand Rutgar jedes Wort.
»Es waren große Mühsal, Durst und Kämpfe. Nicht nur ich, o mächtiger Kaiser Ostroms, sondern viele von uns, die meisten, haben von den Türken viel Unbill erfahren. Wir kämpften mit der Kraft unserer Gebete! Aber Gott der Herr hat mich überleben lassen, im Gegensatz zu allzu vielen Pilgern, die elend zugrunde gingen.« Er richtete die Augen zur Decke und holte tief Luft. »Aber dann befahl mir der Herr mit seiner göttlichen Stimme, die durch mein Wachen und meine Träume hallte, dass ich ein großes Heer um mich versammeln solle. Meine Träume, während ich auf kargem Boden schlief, waren erfüllt von den Worten Jesu Christi. Ich fing an zu predigen, und siehe, viele schlossen sich mir an.«
»In der Tat. Es sind dir nicht wenige gefolgt. Zu viele, glauben wir; oftmals die Falschen«, sagte Kaiser Alexios bekräftigend und fügte, sorgsam seine Prachtgewänder ordnend, mit feinem Lächeln hinzu: »Und auch andere Anführer sind mit Haufen Volks über uns gekommen. Eine göttliche Stimme, sagst du?«
Die Würdenträger, hinter ihnen etliche Palastwachen, die Peter im Halbkreis umstanden, murmelten leise und, wie es schien, spöttisch miteinander. Rutgar hörte ihre Stimmen, die ihm wie der Wind vorkamen, der durch die Fenster strich und schneeweiße Vorhänge blähte.
»Es hat Gott in seiner unendlichen Weisheit gefallen, mich unwürdigen Knecht zu rufen. Ich gehorchte und kehrte nach Frankreich zurück. Dort fing ich zu predigen an und fand viele Anhänger, die mit mir zusammen in die Terra Sancta, das Heilige Land, pilgern und dort das Grab Christi von den Ungläubigen befreien werden.«
»Du glaubst, dass es euch gelingen wird? Mit wenigen Rittern, schlecht bewaffneten Gefolgsleuten und allzu vielen Schwachen, Alten und Kraftlosen, die Seldschuken zu bekämpfen?«
»Eure Gastfreundschaft sei über alles gerühmt, gnädiger Herrscher. Mit Gottes Hilfe werden wir siegen«, sagte Peter unerschütterlich. »Auch Graf Walter von Poissy kämpft mit uns. Viele Priester und Mönche wandern in meinem Heer. Und viele streitbare
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