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Jesus von Nazareth: Prolog - Die Kindheitsgeschichten (German Edition)

Jesus von Nazareth: Prolog - Die Kindheitsgeschichten (German Edition)

Titel: Jesus von Nazareth: Prolog - Die Kindheitsgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI.,
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ist, ist in der Perspektive des täglichen Lebens zunächst nur störend, Grund zu Sorge und Furcht. In der Tat: Gott stört unserezufriedene Alltäglichkeit. Das Königtum Jesu und seine Passion gehören zusammen.
    Welche Antwort hat die hohe Versammlung auf die Frage nach dem Geburtsort Jesu gegeben? Nach Mt 2,6 hat sie mit einem Spruch geantwortet, der aus Worten des Propheten Micha und aus dem 2. Buch Samuel zusammengefügt ist: „Du, Bethlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen (vgl. Mi 5,1), der Hirt meines Volkes Israel (vgl. 2 Sam 5,2)“.
    Matthäus hat in der Zitation des fraglichen Wortes zwei Nuancierungen vorgenommen. Während der größere Teil der Textüberlieferung, besonders auch die griechische Übersetzung (LXX), sagt: „Du bist der kleinste unter den Gauen Judas“, schreibt er: „Du bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda.“ Beide Textfassungen lassen auf je verschiedene Weise die Paradoxie von Gottes Handeln erkennen, die das ganze Alte Testament durchzieht: Das Große kommt aus dem, was irdisch gering und bedeutungslos scheint, während das weltlich Große zerbricht und versinkt.
    So war es zum Beispiel in der Geschichte der Berufung Davids. Der Jüngste der Söhne Isais, der eben die Schafe hütet, muss gerufen werden und wird zum König gesalbt: Nicht das Aussehen und die stattliche Gestalt zählt, sondern das Herz (vgl. 1 Sam 16,7). Ein Wort Marias aus dem Magnificat fasst diese immerwährende Paradoxie von Gottes Tun zusammen: „Die Mächtigen stürzt er vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,52). Die alttestamentliche Textversion, in der Bethlehem als klein unter den GauenJudas bezeichnet wird, stellt diese Weise göttlichen Handelns deutlich heraus.
    Wenn dagegen Matthäus schreibt: „Du bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten Judas“, so hat er nur scheinbar dieses Paradox aufgehoben. Die an sich als bedeutungslos geltende kleine Stadt wird nun in ihrer wahren Größe erkennbar. Aus ihr geht der wahre Hirt Israels hervor: Menschliche Meinung und göttliche Antwort erscheinen zusammen in dieser Textfassung. In der Geburt Jesu in der Grotte außerhalb der Stadt bestätigt sich das Paradox noch einmal.
    Damit sind wir bei der zweiten Nuance angelangt: Matthäus hat dem Prophetenwort jene bereits erwähnte Aussage aus dem 2.  Buch Samuel (5,2) hinzugefügt, die dort dem neuen König David galt und sich nun in Jesus ganz erfüllt. Der kommende Fürst wird als Hirt Israels bezeichnet. So wird die liebende Fürsorge und Zärtlichkeit angedeutet, die den wahren Herrscher als Vertreter von Gottes Königtum kennzeichnet.
    Die Antwort der Hohenpriester und Schriftgelehrten auf die Frage der Weisen hat durchaus einen praktischen geographischen Inhalt, der den Magiern weiterhilft. Aber sie ist doch nicht nur geographische, sondern auch theologische Deutung des Ortes und des Geschehens. Dass Herodes daraus seine Konsequenzen zieht, ist einleuchtend. Verwunderlich ist hingegen, dass die Kenner der Heiligen Schrift sich nicht zu praktischen Konsequenzen veranlasst sehen. Soll man vielleicht darin das Bild einer Theologie erblicken, die sich im akademischen Disput erschöpft?

Die Huldigung der Weisen vor Jesus
    D er Stern war in Jerusalem offensichtlich untergegangen. Nach der Begegnung mit dem Schriftwort leuchtet er den Weisen wieder. Die von der Schrift gedeutete Schöpfung spricht wieder zum Menschen. Matthäus greift zu Superlativen, um die Reaktion der Weisen zu schildern: „Als sie den Stern sahen, freuten sie sich mit einer großen Freude gar sehr“ (Mt 2,10). Es ist die Freude des Menschen, den Gottes Licht ins Herz trifft und der sehen darf, dass seine Hoffnung sich bewahrheitet – die Freude dessen, der gefunden hat und der gefunden worden ist.
    „Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm“ (Mt 2,11). In diesem Satz ist auffällig, dass darin der heilige Josef fehlt, aus dessen Perspektive Matthäus seine Kindheitsgeschichte geschrieben hat. Es begegnet uns nur „Maria, seine Mutter“ bei der Huldigung an der Seite Jesu. Eine vollends überzeugende Erklärung dafür habe ich bislang nicht gefunden. Es gibt die eine oder andere alttestamentliche Stelle, in der der Königinmutter eine besondere Bedeutung zukommt (z. B. Jer 13,18). Aber das reicht

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