Jetzt mal Butter bei die Fische
Vielstimmigkeit können wir wenig ändern. Auch wenn wir es gern hätten, wir werden Persönlichkeitsanteile nicht los – sie sind nun einmal ein Teil von uns. Die Darsteller werden also auf unserer Bühne bleiben. Wenn ein Teil meines inneren Ensembles beispielsweise ständig befürchtet, morgen »in der Gosse zu landen«, werde ich wohl mein Leben lang mit ihm und dieser Angst umgehen müssen. Weder wird aus diesem ängstlichen Teil von mir ein furchtloser Held, noch werde ich ihn zum Schweigen bringen können.
Aber das ist gar nicht schlimm. Denn nicht unser Ensemble ist das Problem, sondern sein (Nicht-)Zusammenspiel! Überall, wo sehr unterschiedliche Charaktere miteinander auskommen müssen, können sie sich streiten und gegenseitig blockieren – oder ein erfolgreiches Team bilden. Überlässt man so einen Haufen sich selbst, geht es fast immer schief. Mit einem guten Teamleiter kann das Zusammenspiel aber hervorragend klappen.
Unser innerer Teamleiter
Glücklicherweise besteht unsere Persönlichkeit nicht nur aus streitbaren Anteilen, wir haben auch einen »Teamleiter« in uns. Wir können unsere Psyche – sehr vereinfacht! – nämlich in zwei Etagen aufteilen. In der einen finden wir die verschiedenen Anteile unserer Persönlichkeit, und im Stockwerk darüber sitzt unser »innerer Selbstmanager«.
Ihn haben wir im Laufe unseres Lebens entwickelt und gestärkt. Er ist eine erwachsene Instanz – eher vernünftig und in der Lage, differenziert zu denken und wahrzunehmen. Wenn Sie gerade über Ihre unterschiedlichen Anteile nachdenken und sich dabei nicht hin- und hergerissen fühlen, sondern sich selbst mit etwas Abstand betrachten können, hat Ihr Selbstmanager das Steuer in der Hand. Trotz aller inneren Komplexität fühlt sich Ihr Ich dann wie eine Einheit an – trotz der »verschiedenen Seelen«.
In so einem erwachsenen Zustand befinden Sie sich beispielsweise,
wenn Sie sich im Bewerbungsgespräch kompetent und selbstsicher präsentieren – obwohl sich ein Teil von Ihnen gar nicht so fühlt;
wenn Sie zum Zahnarzt gehen – obwohl Sie große Angst haben;
wenn Sie sich trauen, einen interessanten Menschen anzusprechen – obwohl Ihr innerer Kritiker meint, dass Sie doch ganz sicher einen Korb bekommen werden.
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Wenn der Selbstmanager einen guten Job macht, versteht er es – wie ein guter Teamleiter –, die unterschiedlichen Anteile zu leiten und zu integrieren. Er weiß, wie »seine Pappenheimer« denken und fühlen, wovor sie Angst haben und was ihnen besonders wichtig ist. Und er lehnt keinen von ihnen ab oder unterteilt sein Team in gute und schlechte Anteile.
Das innere Durcheinander
Wenn mein Selbstmanager gerade das Heft in der Hand hat, kann ich entspannt sein und klare Entscheidungen treffen, obwohl ich mir meiner inneren Vielstimmigkeit bewusst bin. Aber wenn er das Steuer aus der Hand gibt, übernimmt die »untere Etage« – und dann gibt’s Kuddelmuddel!
Ich möchte Ihnen dazu von drei Menschen aus meiner Coachingpraxis erzählen.
Sabine, 27
Sabine ist schon seit zwei Jahren dabei, sich als Hair- und Make-up-Artist für Werbefotografie selbstständig zu machen. Obwohl sie einerseits weiß, dass sie auf ihrem Gebiet sehr gut ist und geschätzt wird, vermeidet sie es, sich bei potenziellen Kunden vorzustellen und zu präsentieren. Sie hat es noch nicht geschafft, ein Fotobuch ihrer Arbeit zusammenzustellen, und sie hat keinen Zeitplan und keine To-do-Liste. Sabine erzählt, dass sie regelrecht »versteinert«, wenn sie sich diesen Aufgaben stellen will. Natürlich ist ihr bewusst, dass sie so nicht weiterkommen wird. Sie fühlt sich »wie ein Reh, auf das plötzlich in der Dunkelheit ein Auto zufährt, das nur in die Scheinwerfer starrt und nicht weglaufen kann.«
Jan, 36
Jan arbeitet seit vielen Jahren als Anzeigenleiter in einem großen Verlag. Er hat schon ein Burn-out erlebt und war damals vier Monate krankgeschrieben. Es war eine schlimme Zeit. Jetzt zeigen sich wieder ähnliche Überlastungssymptome. Ihm ist bewusst, welches Risiko er eingeht – aber trotzdem schafft er es nicht, sein Arbeitsvolumen zu reduzieren. Er erzählt mir ziemlich geknickt, dass seine Bürotür für jeden immer offen ist und er niemals eine Anfrage ablehnt. Anstatt Grenzen zu setzen und mit seiner Chefin über Möglichkeiten der Entlastung zu sprechen, arbeitet er auch am Wochenende und ist »selbstverständlich« im Urlaub immer erreichbar. Er weiß, dass sein Verhalten
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