Jhereg
letzten beiden Tagen irgendwelche toten Wachen?«
»Nein, Mylord.«
Okay, gut. Also keine Bestechungen. Was noch? Eine Wache austauschen? Oh, Scheiße, genau das würde ich tun.
»Fentor, arbeiten heute irgendwelche neuen Wachen? Leute, die seit weniger als drei Tagen auf der Gehaltsliste stehen? Wenn nicht, schau bei den Dienern nach. Aber erst die Wachen.«
Natürlich, genau das würde ich tun. Einen Job als Wache oder Diener annehmen und auf den richtigen Augenblick warten. Ich müßte bloß dafür sorgen, daß die eigentliche Wache beschäftigt ist oder krank, oder daß er ein paar Tage frei braucht, vielleicht müßte ich eine Person bestechen, vielleicht nicht mal das, wenn ich Zugang zu den Dienstplänen bekäme und meinen Namen an die richtige Stelle setzen konnte.
»In der Tat, ja. Da ist ein Neuer draußen vor dem Bankettsaal. Die Wache, die normalerweise Dienst gehabt hätte –«
Ich brach die Verbindung ab. Bevor ich Morrolan und Aliera hinter mir herrufen hörte, war ich schon halb aus dem Zimmer gerannt. Die Totenbeschwörerin, die die ganze Zeit über keinen Ton gesagt hatte, blieb zurück. Was bedeutete schließlich ein weiterer Tod für sie?
Ich rannte mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Bankettsaal. Loiosh jedoch war schneller. Ungefähr zehn Schritte vor mir flatterte er, als ich die zwei Wachen vor der Tür stehen sah. Sie erkannten mich. Erst verneigten sie sich leicht, dann, als ich näher kam, wurden sie aufmerksam. Aus ungefähr fünfzehn Meter Entfernung bemerkte ich, daß einer von den beiden einen Dolch unter seiner Uniform versteckt hatte, was einem Dragon gar nicht ähnlich sah. Barlen sei Dank kamen wir noch rechtzeitig.
Mittlerweile war Morrolan mir dicht auf den Fersen. Einen Moment lang behielt die Wache mit dem verborgenen Dolch mich genau im Auge, dann drehte er sich um und schoß in den Saal davon; Loiosh nahm sofort die Verfolgung auf. Morrolan und ich liefen hinterher. Ich griff nach meinem Wurfmesser, Morrolan zog Schwarzstab. Unwillkürlich krümmte ich mich wegen der Gedanken, die dieses blanke Messer in mir auslöste, aber ich ließ mich davon nicht bremsen.
Von drinnen drang Rufen an mein Ohr, zweifelsohne hervorgerufen durch Morrolans psionische Befehle. Ich rannte durch die Tür. Zuerst konnte ich ihn nicht finden, weil die Menge ihn verdeckte. Dann sah ich Loiosh zuschlagen. Ein Schrei war zu hören, dann blitzte ein Schwert auf.
Wir blieben stehen. Mellar stand uns nun direkt gegenüber und wirkte nicht im mindesten beunruhigt. Er bedachte Morrolan mit einem fragenden Blick. Zu seinen Füßen lag die ›Wache‹. Der Kopf lag ein paar Meter weiter. Über der Leiche stand eine echte Wache mit blankem Schwert, von dem Blut tropfte. Er sah Morrolan an, der ihm zunickte.
Dann gingen Morrolan und ich zur Leiche und nahmen ihr einen Dolch aus der ausgestreckten Hand. Morrolan sah es sich einen Augenblick an, dann lobte er die Wache: »Gute Arbeit.«
Der wiederum schüttelte den Kopf. »Dankt dem Jhereg«, sagte er und sah Loiosh mit verwundertem Gesichtsausdruck an. »Wenn der ihn nicht gebremst hätte, wäre ich nie rechtzeitig gekommen.«
»Endlich lobt mich mal einer.«
»Endlich arbeitest du auch mal.«
»Zwei tote Teckla auf deinem Kissen!«
Wir ließen Mellar einfach stehen und gingen wieder hinaus.
»Na schön«, blaffte Morrolan, als wir den Raum verließen. »Macht hier sauber.«
Aliera tauchte neben uns auf, und wir gingen zur Bibliothek zurück. Morrolan überreichte mir den Dolch. Bei der ersten Berührung wußte ich, daß er Morganti war. Mit einem Schauer reichte ich ihn zurück. In letzter Zeit waren verdammt noch mal zu viele von diesen Dingern im Umlauf.
»Dir ist doch klar, was das bedeutet, oder?« fragte er.
Ich nickte.
»Und du hast gewußt, daß das passieren würde?«
»Ich hab es geahnt. Als der Versuch, dich kalt zu machen, nicht geklappt hat, mußten sie ihn eben so erwischen. Und wir hatten noch Glück«, fügte ich hinzu. »Ich habe die meisten Hinweise zu spät erkannt. Wäre Mellar zufällig in der letzten Stunde an dieser Tür vorbeigegangen, dann wäre jetzt schon alles vorbei.«
Wir betraten die Bibliothek. Die Totenbeschwörerin begrüßte uns mit einem Nicken und machte eine Geste mit dem Weinglas, das immerwährende, seltsame Halblächeln im Gesicht. Ich habe sie schon immer gemocht. Eines Tages, so hoffte ich, würde ich sie verstehen. Andererseits sollte ich das besser nicht hoffen. Als wir uns setzten, sagte ich
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