Jillian Hunter
deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen."
„London? Aber warum? Tante Gwendolyn kann mich hier sehr gut gebrauchen. Ich könnte ihr dabei helfen, Spenden zu sammeln, und - ich habe keine passenden Kleider für Lon- don." Ihr gingen beinahe die Ausreden aus. „Die Saison wird schon fast wieder vorbei sein, bis ich eine anständige Garde- robe habe."
„Es kann sehr gut sein, dass das Leben, so wie du es kennst, in Zukunft für dich vorbei ist, meine Liebe", sagte Heath we- nig mitfühlend.
„Was willst du mit diesen abscheulichen Worten andeu- ten?"
„Dein Aufenthalt in Chistlebury sollte eigentlich dazu die- nen, dich von neuen Versuchungen fernzuhalten."
Chloe sah, wie Ares mit der Schnauze die Tür aufstieß und in der Hoffnung auf einen Spaziergang mit wedelndem Schwanz zu ihr blickte. „Und das hat er dann auch getan. In Chistlebury vergraben. Das haben meine Freunde gedacht."
„Um Himmels willen, Chloe."
„Ich glaube, mir gefällt die Art nicht, wie du das sagst, Heath."
Er beugte sich vor, um zu beobachten, wie der Hund in den Raum stapfte und zu Chloes Füßen auf den Boden sank. „Ich habe mich der Stimme enthalten, als dein Exil beschlossen wurde. Ich dachte, du wolltest dich ernsthaft bessern."
„Das wollte ich auch. Wirklich, Heath, nichts von alledem war meine Schuld."
„War es Stratfields Schuld? Soll ich ihn zum Duell heraus- fordern? Freund oder nicht, wenn er dir Unrecht getan hat, soll er auch dafür bezahlen."
Chloe sank auf die Knie und zog Ares an sich.
Sie fragte sich, ob Dominic etwas dagegen haben würde, mit ihr durchzubrennen, um die Konfrontation mit ihrer Fa- milie zu vermeiden. Diese Aufregung würde ihm so kurz nach seinem eigenen Drama vielleicht nicht behagen, aber anderer- seits hatte er keine Ahnung, wie unerträglich es war, sich der Inquisition der Boscastles zu stellen.
„Heath, ich würde gerne wenigstens noch eine Woche blei- ben, um mich von den neuen Freunden, die ich hier kennenge- lernt habe, zu verabschieden."
„Nein", sagte er mit schwer zu deutender Stimme.
Sie starrte ihn an. „Warum nicht?"
„Weil du innerhalb von einer Woche wieder in einen neuen Skandal verwickelt sein wirst."
„Ich weiß nicht, wie das gehen sollte."
„Ich auch nicht. Es scheint unmöglich, aber die Tatsache ist, dass es dir irgendwie gelingen wird." Er hielt inne und blick- te mit gerunzelter Stirn auf den Boden. „Dieser Hund ist fett, Chloe. Jemand sollte ihn auf Diät setzen und dafür sorgen,
dass er regelmäßig Bewegung bekommt."
„Ich muss meine Sachen packen", murmelte sie.
„Deine Besitztümer werden schon zusammengepackt, noch während wir uns hier unterhalten. Die Kutsche wird uns mor- gen abholen."
Sie stand auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Ich kann Dominic nicht verlassen, ohne ihm zu sagen, wo ich hin- gehe."
Heath war unbeeindruckt. „Stratfield ist ein sehr fähiger Mann und darf dir, wann immer er möchte, auf anständige Art und Weise Besuche abstatten. Wenn er dich finden will, wird ihm das auch gelingen. Ich werde ihn von unserer Ent- scheidung in Kenntnis setzen."
„Hat Adrian dir gesagt, dass Dominic sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, um den Mann zu vernichten, der Brandon und Samuel getötet hat? Zählt sein Mut denn gar nicht?"
„Ich hätte ihm gerne dabei geholfen. Jeder von uns hät- te ihm geholfen. Er hätte nicht den einsamen Helden spielen müssen."
„Willst du damit sagen, dass er mich nur sehen darf, wenn er euch vorher um Erlaubnis bittet?"
„Ganz genau", bestätigte Heath. „Wenn er sich schon nicht den Regeln der Gesellschaft unterwerfen will, muss er sich zu- mindest den Wünschen unserer Familie beugen."
Chloe stöhnte innerlich bei dem Gedanken, dass Dominic sich irgendetwas unterwerfen sollte. „Nur dass du es weißt: Er hat mich bereits gefragt, ob ich ihn heiraten will, und ich habe den Antrag ohne jede Einschränkung angenommen." Entspannt lehnte sich Heath zurück. „Wie schön für dich, Chloe. Jetzt geben wir deinem Liebsten noch die Gelegenheit, den Rest deiner Familie von sich zu überzeugen, und dann werden wir sehen, ob wir ihn auch annehmen." Er lächelte. „Ohne jede Einschränkung."
Chloe verbrachte ihre letzte Nacht in Chistlebury in ihrem leeren Ankleidezimmer und blickte aus dem Fenster hinaus zu Dominics Anwesen hinüber. Das Haus war feierlich hell erleuchtet. Den ganzen Tag über waren Gäste angekommen und wieder gegangen, manche in kostbaren Kutschen und an-
dere auf
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